Fünf Personen stehen mit Heftern in der Hand der Kamera zugewandt.

Korrekturmeldung – Weiterbildung: finanzielles Stiefkind der Bildungspolitik

Am 11. März 2019 haben wir die Studie "Weiterbildungsfinanzierung in Deutschland 1995 – 2015" veröffentlicht. Die Expertise wurde von den Bildungswissenschaftlern Rolf Dobischat, Dieter Münk und Anna Rosendahl verfasst. Die Studie beinhaltet einen Fehler, auf den wir hiermit aufmerksam machen und ihn korrigieren. Wissenschaftliche Kollegen vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln haben uns dankenswerterweise auf den Fehler hingewiesen. Wir werden die Studie zeitnah aktualisieren und sie in korrigierter Form auf unserer Website zur Verfügung stellen.

Wo genau liegt der Fehler?

Wir haben über einen Rückgang der öffentlichen Weiterbildungsfinanzierung zwischen 1995 und 2015 um 43,3 Prozent von 11,1 Milliarden Euro auf 6,3 Milliarden Euro berichtet. Der Wert von 1995 enthält aber Beträge, die in den anderen Jahren nicht enthalten sind und überschätzt so stark die ursprünglichen Investitionen.

Wie muss es richtig heißen?

Korrekt muss es heißen: Im Jahr 1995 hat die Bundesanstalt für Arbeit 2,47 Milliarden Euro für Weiterbildung ausgegeben und die öffentliche Hand insgesamt 6,00 Milliarden Euro. Damit ist also bei unserer Betrachtung der absoluten Ausgaben kein starker Rückgang der öffentlichen Weiterbildung bis 2015 zu beobachten, sondern ein leichter Anstieg um 4,8 Prozent.

Wie kam es zu dem Fehler?

Die öffentlichen Ausgaben für Weiterbildung wurden für das Bezugsjahr 1995 überschätzt. Anders als in allen darauffolgenden Jahren wurde das "Unterhaltsgeld" für 1995 in den verwendeten Berichten der damaligen Bundesanstalt (jetzt Bundesagentur) für Arbeit zu den Ausgaben für Weiterbildung mit einbezogen. Das Unterhaltsgeld war eine Versorgungsleistung des Staates für Menschen, die sich in einer Weiterbildung befinden. Es wurde 2005 in "Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung" umbenannt.

Leider wurde die Aufsummierung im Jahr 1995 in der Quelle, die die Wissenschaftler herangezogen haben, nicht hinreichend transparent gemacht. Für die Daten von 1995 waren die Amtlichen Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit zum Arbeitsmarkt die Grundlage. Hier sind auf Seite 68 in Tabelle 4 insgesamt 14,8132 Milliarden DM, also umgerechnet 7,5739 Milliarden Euro, für die Förderung der beruflichen Weiterbildung ausgewiesen.

Die Kollegen vom IW haben uns jetzt auf eine andere Quelle hingewiesen, nämlich ein Sonderheft zur beruflichen Weiterbildung der Bundesanstalt für Arbeit. Dort werden in Tabelle 34 die Ausgaben für Weiterbildung ausdifferenziert. Dabei fällt auf, dass anders als die entsprechende Fußnote zur Tabelle in der von Dobischat, Münk und Rosendahl zitierten Veröffentlichung vermuten lässt, das Unterhaltsgeld, das während einer Fortbildung oder Umschulung gezahlt wurde, in den 7,57 Milliarden Euro enthalten ist, und zwar in Höhe von 5,049 Milliarden Euro.

Zwar umfasst das Unterhaltsgeld auch – in vermutlich geringem Umfang – Zuschüsse, die 1996 vom Unterhaltsgeld des ehemaligen Arbeitsförderungsgesetzes ins Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG: MeisterBAföG) überführt wurden. Der Großteil stellt aber Ausgaben dar, die in den anderen Berichtsjahren als Arbeitslosengeld bei Weiterbildungsteilnahme bewusst herausgelassen wurden, um den Fokus der Studie auf den direkten Weiterbildungskosten zu belassen.

Auch werden in der neuen Quelle zwei kleinere Posten explizit als Weiterbildungsausgaben aufgeführt, die bezogen auf das Jahr 1995 nun ebenfalls herausgerechnet werden: der Einarbeitungszuschuss in Höhe von 0,0520 Milliarden Euro und die Eingliederungshilfe in Höhe von 0,0035 Milliarden Euro.

Was bedeutet das für die Schlussfolgerungen, die die Studie trifft?

Statt eines Rückgangs der öffentlichen Weiterbildungsfinanzierung sehen wir über die letzten 20 Jahre eine Stagnation. Im Verhältnis zu den Anstiegen der Ausgaben in den anderen Bildungssektoren hinkt die öffentliche Weiterbildung aber dennoch stark hinterher. In der Schulbildung verzeichnen wir einen Anstieg von 41,3 Prozent, in der frühkindlichen Bildung sogar von 150 Prozent.

Zudem handelt es sich bei den angesprochenen Bildungsausgaben nur um die Nominalgrößen, gerechnet ganz ohne Inflationsverlust. Angesichts der großen Aufgaben, die im Rahmen des demographischen und technologischen Wandels vor uns liegen, sind vermehrte Investitionen in Weiterbildung weiterhin dringend nötig. Besonders für weiterbildungsbenachteiligte Zielgruppen wie Geringqualifizierte und von Armut Gefährdete, die selbst nicht über die notwendigen Mittel verfügen oder die von ihren Betrieben und bestehenden Fördermitteln nicht unterstützt werden.

Transparenz und Evidenz: Grundsätze unserer Stiftung

Niemand macht gerne einen Fehler. Jetzt ist es zu einem im Rahmen unserer Studien gekommen. Als Bertelsmann Stiftung veröffentlichen wir regelmäßig die Ergebnisse unserer Forschung beziehungsweise, wie in diesem Fall, der Forschung, die unabhängige Wissenschaftler in unserem Auftrag durchgeführt haben. Methodische Transparenz und eine öffentliche Diskussion tragen dazu bei, dass diese Ergebnisse einer kritischen Prüfung unterzogen werden können. Wir bedauern den Fehler und stehen für Rückfragen zur Verfügung.