Im Vorhof einer Kita steht eine Erzieherin mit einem Vater, der sein Kind auf dem Arm hält.

Mehr Kita-Qualität und Beitragsfreiheit kosten jährlich 15 Milliarden Euro

Kita-Beiträge belasten laut einer neuen Elternbefragung arme Haushalte überproportional. Dennoch wären die meisten Eltern bereit, noch mehr für Kitas zu zahlen, wenn die Qualität besser wird. Gerade dieser Qualitätsausbau wäre in Gefahr, wenn eine politisch gewünschte Beitragsfreiheit beschlossen würde – denn die kostet 7,3 Milliarden Euro pro Jahr.

Die finanzielle Belastung durch Kita-Beiträge ist ungerecht verteilt: Haushalte unterhalb der Armutsrisikogrenze müssen einen fast doppelt so hohen Anteil ihres Einkommens für den Kita-Beitrag ihrer Kinder aufbringen wie wohlhabendere Eltern – trotz einer vielerorts gültigen Sozialstaffel. Denn Eltern, die über weniger als 60 Prozent eines durchschnittlichen Einkommens verfügen, zahlen monatlich durchschnittlich 118 Euro und damit zehn Prozent ihres Einkommens für den Kita-Besuch ihres Kindes; bei Eltern oberhalb der Armutsrisikogrenze sind es hingegen nur rund fünf Prozent des Einkommens, im Durchschnitt 178 Euro. Zudem gibt es erhebliche regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern. Zu diesen Ergebnissen kommt der ElternZOOM, eine repräsentativ angelegte Befragung von Kita-Eltern, die infratest dimap in unserem Auftrag durchgeführt hat.

Darüber hinaus belasten Zusatzkosten – etwa für Ausflüge, Verpflegung oder Bastelmaterialen – ärmere Haushalte mehr als doppelt so stark als wohlhabendere Haushalte: Sie zahlen dafür 3,3 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens – wohlhabendere Familien dagegen nur 1,4 Prozent. Bei diesen Zusatzgebühren – monatlich rund 45 Euro – spielt die finanziellen Lage der Familie bisher keine Rolle.

Mächtiger Unterschied: Kita-Beiträge belasten armutsgefährdete Eltern doppelt so stark wie wohlhabendere.

Wenn Beiträge für alle Eltern entfallen, könnte Kita-Qualität auf der Strecke bleiben

Für eine generelle Beitragsfreiheit müsste der Staat unseren Berechnungen zufolge jährlich rund 5,7 Milliarden Euro aufbringen, für Zusatzgebühren weitere 1,6 Milliarden Euro. Unser Vorstand Jörg Dräger weist darauf hin, dass bereits für den Aufbau ausreichender und kindgerechter Kita-Plätze allein 8 Milliarden Euro im Jahr aufgebracht werden müssten.

"Bei der Kita-Finanzierung klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander," so Dräger. Beitragsfreiheit und Qualitätsausbau kosten insgesamt jährlich 15,3 Milliarden Euro – dem gegenüber hat der Bund bislang 3,5 Milliarden Euro für die aktuelle Legislaturperiode zugesagt. Allein im Jahr 2021 fehlen nach aktuellen Planungen 13,3 Milliarden Euro.

"Dem politischen Versprechen der Beitragsfreiheit fehlt die finanzielle Substanz. Aktuell ist zu befürchten, dass die Qualität auf der Strecke bleibt."

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung

Das Geld, das der Bund bereitstellt, reicht nicht: Qualitätsausbau und die Befreiung aller Eltern vom Kita-Beitrag würden 15 Milliarden Euro kosten.

Für Eltern steht Qualität vor Beitragsfreiheit

Trotz der Belastung durch Kita-Beiträge und Zusatzgebühren wäre – unabhängig vom Einkommen – die Mehrheit der Eltern bereit, für eine bessere Qualität noch höhere Kita-Beiträge zu bezahlen: 59 Prozent der Eltern oberhalb, aber auch 53 Prozent der Eltern unterhalb der Armutsrisikogrenze würden für mehr Personal und bessere Ausstattung auch höhere Beiträge akzeptieren. Dazu Dräger: "Gute Qualität in den Kitas ist Eltern wichtig. Dafür sind sie auch bereit, zu zahlen."

Derzeit haben 17 Prozent der Eltern ein Haushaltseinkommen unterhalb der Armutsrisikogrenze. Zwei Drittel von ihnen zahlen Kita-Beiträge, obwohl diese sozial gestaffelt sind.

"Wir brauchen eine Befreiung einkommensschwacher Familien von Kita-Kosten."

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung

Laut Schätzungen auf Basis des ElternZOOMs würde dies rund 730 Mio. Euro jährlich kosten.

Wohnort bestimmt darüber, wie stark der Kita-Besuch Eltern finanziell belastet

Zusätzlich zur repräsentativ angelegten Umfrage haben wir sechstausend Eltern aus der ganzen Republik über einen Onlinefragebogen zu ihrer Perspektive auf Kitas befragt. Das Ergebnis: Es hängt vom Bundesland ab, wie stark Eltern finanziell belastet werden.

Ein Beispiel hierfür ist Berlin mit weitgehender Beitragsfreiheit: Die Gesamtkosten für Kita-Betreuung, also die Summe von Kita-Beiträgen und Zusatzgebühren, machen nur rund zwei Prozent eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens von Kita-Eltern aus. Gleichzeitig ist die Qualität der Krippengruppen, gemessen am Personalschlüssel, in Berlin deutlich schlechter als im Bundesdurchschnitt.

In Baden-Württemberg sind die Personalschlüssel demgegenüber bundesweit die Besten, hier beteiligen sich Eltern mit rund sieben Prozent eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens an der Kita-Finanzierung. In Mecklenburg-Vorpommern sind die Personalschlüssel bundesweit mit die ungünstigsten, gleichwohl müssen Eltern mehr als acht Prozent ihres Haushaltseinkommens für Kita-Beiträge und Zusatzgebühren zahlen.

Kita-Beiträge sollten in ganz Deutschland einheitlich sein

Dräger kritisiert, dass der Wohnort maßgeblich über die finanzielle Belastung der Eltern entscheide. Fairer wäre es, die Kita-Beiträge bundesweit einheitlich zu bemessen – etwa prozentual am Äquivalenzeinkommen. Das bedeutet: Nur der Teil des Einkommens würde in die Berechnung mit einfließen, der oberhalb der Armutsrisikogrenze liegt. Armutsgefährdete Eltern sollten vollständig sowohl von den Kita-Beiträgen als auch den Zusatzgebühren befreit werden.

Mit Blick auf die enormen Herausforderungen im Kita-Bereich rät Dräger davon ab, die Beitragsfreiheit für alle Eltern zu überstürzen: "Bundesweit fehlen Erzieherinnen, und die Betreuungsschlüssel stimmen in vielen Kitas nicht. Jetzt alle Eltern zu entlasten, würde den politischen Handlungsspielraum für den Qualitätsausbau unnötig verengen." Für ihn ist klar: "Erst die Qualität und dann die Beitragsfreiheit."