Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte steht während seiner Rede am Rednerpult in der Hauptstadtrepräsentanz der Bertelsmann Stiftung und gestikuliert mit seiner linken Hand.

"Europa funktioniert nicht wie eine Speisekarte"

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hat in einer Grundsatzrede in Berlin den Geist der Zusammenarbeit in Europa beschworen. Er war der Einladung in unsere Hauptstadtrepräsentanz gefolgt, um seine Ideen für die Zukunft der Europäischen Union vorzustellen.

"Wer nicht redet, wird nicht gehört", zitierte Mark Rutte zu Beginn seiner Rede den früheren deutschen Kanzler Helmut Schmidt und erläuterte vor Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Medien, wie Europa sein Versprechen auf Wohlstand und Sicherheit zukünftig einlösen sollte.

Gemeinsam waren sie der Einladung unseres Vorstandsvorsitzenden Aart De Geus nach Berlin gefolgt, um über die Zukunft der EU zu diskutieren. Der Ministerpräsident machte in seiner Rede deutlich, dass die EU hinsichtlich ihres Versprechens auf Wohlstand und Sicherheit "liefern" müsse: "Visionen allein bringen keine Jobs", so Rutte.

"EU-Staaten sollten keine roten Linien ziehen, sondern einen roten Faden für Reformprojekte finden."

Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung

In seiner Eingangsrede betonte Aart De Geus, in welchen Bereichen die EU jetzt handeln und Reformen umsetzen müsse, um arbeits- und zukunftsfähig zu bleiben. Gerade im Bereich der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion müsse die EU mit einem robusten Mandat ausgestattet werden. Nur so könne Europa seinen Bürgern Stabilität und Wohlstand auch in Krisenzeiten ermöglichen, so De Geus. Auch im Bereich Verteidigung, der Entwicklungshilfe oder der Asylpolitik sei eine stärkere Rolle der EU sinnvoll, um mit einer gemeinsamen Sprache auf globale Herausforderungen zu antworten.

In diesem Zusammenhang mahnte De Geus auch die Staats- und Regierungschefs, konstruktiv mit Reformvorschlägen umzugehen: "Wir brauchen keine roten Linien, sondern einen roten Faden, um uns gemeinsam auf die wichtigsten Herausforderungen der EU zu einigen und diese zügig anzupacken." Gerade nach dem Brexit sei es wichtig, dass alle EU-Mitglieder zusammenstehen und die Zukunft der EU aktiv mitgestalten, nicht nur Deutschland und Frankreich.

Aart De Geus bei seiner Eingangsrede. (Foto: Sebastian Pfütze)

"Europa funktioniert nicht wie eine Speisekarte, aus der sich jeder aussucht, was ihm am besten schmeckt."

Mark Rutte, niederländischer Ministerpräsident

Auch Mark Rutte betonte in seiner Rede den grundlegenden Wert der Zusammenarbeit aller EU-Mitglieder, um den Zielsetzungen eines geeinten Europas gerecht zu werden: "Das grundlegende Versprechen von Europa hat sich seit 70 Jahren nicht verändert: Die EU-Staaten sollen kooperieren, um einen höheren Wohlstand, Sicherheit und Stabilität zu erreichen."

Die EU müsse sich zu diesen Versprechen und der Zusammenarbeit klar bekennen: "Europa funktioniert nicht wie eine Speisekarte, aus der sich jeder aussucht, was ihm am besten schmeckt und der Rest wird ignoriert", so Rutte. Nur, wenn die EU Versprechen auch einhalte, werde sie zukünftig Erfolg haben und von den Bürgern akzeptiert.

"EU-Hilfen können nur der letzte Ausweg sein"

Um diese Ziele zu erreichen, definierte Rutte neun Politikfelder, in denen er Reformen empfiehlt. Dabei erwähnte er eine stärkere Zusammenarbeit zum Beispiel in den Bereichen Sicherheitspolitik, dem Klimaschutz und forderte einheitliche europäische Linien bei Fragen der Asyl- und Migrationspolitik.

Gleichzeitig lehnte er eine stärkere Vergemeinschaftung von Risiken ab: "EU-Hilfen können nur der letzte Ausweg, aber nicht die erste Hilfe, bei nationalen Finanzkrisen sein." Je besser jeder Staat selbständig haushalte, desto stärker werde die EU insgesamt, so Rutte.

Trotz aller Probleme und Herausforderungen, auch durch EU-Kritiker und Nationalisten, bleibe er ein Optimist: "Ich bin heute hergekommen, um über die Zukunft der EU zu sprechen, weil ich an Europa glaube", machte er mehrmals deutlich. Dies sei wichtig, weil nur Geschrei an den politischen Rändern eben nicht in die Zukunft führe. "In Europa haben 27 Länder eigenständig beschlossen zusammenzuarbeiten, weil Kooperation der beste Weg ist, um auf globale Probleme zu reagieren. Das ist der Grundsatz, wie wir zu einer immer besseren Union werden können", so der Ministerpräsident.