Migration und Flucht beschäftigen die EU doch schon seit Jahren: Warum spitzt sich die Debatte jetzt zu?
Der Grund ist in der Innenpolitik zweier Länder zu suchen – Italien hat eine neue, populistische Regierung, Innenminister Matteo Salvini von der rechten Lega will keinen einzigen Flüchtling mehr ins Land lassen und drängt die Rettungsschiffe nach Spanien ab. Und Deutschland erlebt zwischen den Regierungsparteien CDU und CSU den heftigsten Konflikt seit Jahren, bei dem der neue bayerische Ministerpräsident Markus Söder eine Schlüsselrolle spielt. Söder wie Salvini wollen mit der Migrationsfrage ihr politisches Profil schärfen.
Gegenstand ist dabei eher der gefühlte als der gezählte Zustrom von Flüchtlingen und Migranten. Denn das European Asylum Support Office (EASO), verzeichnet seit dem Sommer 2016 einen anhaltenden Rückgang der Asylanträge, die weiterhin vor allem von Syrern, Irakern und Afghanen gestellt werden. Und auch das italienische Innenministerium meldet auf dem Seeweg 77 Prozent weniger Ankünfte als im Vergleichsraum des Vorjahres.
Die CSU will abgelehnte Asylbewerber und abgeschobene Straftäter an der bayerischen Grenze zurückweisen – ob das polizeilich funktionieren kann, ist umstritten.
Italien verweist nicht zu Unrecht darauf, daß man seit langem den anderen Staaten die Sicherung der Außengrenzen abnehme, dafür aber von vielen im Gegenzug keine solidarische Entlastung erfahre. Für eine Einigung liegen die Positionen vor dem Gipfel zu weit auseinander.
Griechenland wird im August nach acht Jahren aus dem Euro-Rettungsprogramm entlassen: Ist die Krise um den Euro mit diesem Gipfel gelöst?
Jein. Immerhin gelang es den 19 Euro-Ländern die gemeinsame Währung bislang trotz ihrer ersten großen Krise zu bewahren. Doch wie der Euro für die Zukunft widerstandsfähiger werden kann, darüber herrscht Uneinigkeit. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel befürworten einen Euro-Haushalt und wollen den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu einem Europäischen Währungsfonds ausbauen. Aber bitte schrittweise – was den zwölf Ländern des "Hanseatischen Clubs", geführt von den Niederländern, schon zu viel des Guten ist. Sie fragen nicht einmal zu Unrecht nach dem Zweck solcher Maßnahmen. Bei den Zielen blieben, so ihr Einwand, Macron und Merkel vorerst vage – womit nach alter EU-Manier die Verhandlungen wohl eröffnet wären. Das alles wird Zeit brauchen und darum beim Gipfel ohne Lösung bleiben.
Das Vereinigte Königreich sollte zum Juni-Gipfel eigentlich einen Brexit-Fahrplan vorlegen. Jetzt fragen viele: Wird der Brexit 2019 womöglich planlos und ungeordnet erfolgen?
Eines steht fest: Byzanz liegt heute an der Themse. Denn anders als byzantinisch kann man den Zustand der Regierung Theresa May und ihre Schach- und Winkelzüge gegenüber "Brüssel" nicht nennen. Selbst die kundigsten und klügsten Kommentatoren auf der Insel überschlagen sich täglich mit neuen Deutungen, um ein wenig Licht in die verfahrene und düstere Lage zu bringen. Keiner der Konfliktpunkte – die konkreten Schritte des Rückzugs, die Nordirland-Frage, die künftige Partnerschaft zwischen dem Ex-Mitglied und den 27 verbleibenden – wird diese Woche eine Lösung finden.