Geldscheine hängen an einer Wäscheleine vor dem deutschen Reichstag.

Mehr Wachstum – weniger Ungleichheit: Öffentliche Investitionen lohnen sich

Straßen und Schulen bröckeln und es fehlen bezahlbarer Wohnraum und schnelle Internetleitungen – und das, obwohl die Konjunktur in Deutschland brummt. Entsprechend laut sind die Rufe nach höheren öffentlichen Investitionen. Doch in welche Bereiche sollte der Staat investieren und was bringt es?

Wohin mit den Überschüssen? Diese Frage spielt während der Sondierungsgespräche eine zentrale Rolle. Investieren ist dabei eine Möglichkeit, die sich auszahlt. Denn öffentliche Investitionen in Bildung, Wohnungsbau und Infrastruktur lohnen sich für alle – das zeigt unsere neue Studie. Sie können nicht nur das Wachstum und die Beschäftigung stärken, sondern auch die Chancengerechtigkeit: Denn bis zum Jahr 2050 können öffentliche Investitionen die Zahl der Arbeitslosen um über 440.000 und den Niedriglohnsektor um 5 Prozent verringern.

Darüber hinaus tragen sich die Investitionen langfristig selbst und erwirtschaften sogar fiskalische Gewinne. Am meisten lohnt es sich volkswirtschaftlich, in qualitativ hochwertige Ganztagsschulen und Kitas zu investieren.

Für die Studie wurde simuliert, dass von 2018 bis zum Jahr 2050 dauerhaft mehr investiert würde. Diese Steigerung ist laut Studienautoren notwendig, weil in vielen Bereichen großer Nachholbedarf herrscht: bei der Qualität in Ganztagsschulen und Kitas, einer digitalen und modernen Infrastruktur und bei bezahlbarem Wohnraum für untere und mittlere Einkommen. Konkret geht es darum, dass die Bildungsinvestitionen um jährlich rund 10 Milliarden Euro erhöht werden – beim Wohnungsbau sollen es jährlich jeweils 5 Milliarden Euro mehr sein. Dabei werden die Investitionen schrittweise umgesetzt, sodass auf den Staat zusätzliche Ausgaben in Höhe von 40 Milliarden Euro in den kommenden vier Jahren zukommen. Ab 2022 wird dann dauerhaft jedes Jahr über 20 Milliarden Euro mehr investiert als im Vorjahr.

In der Bildung sind die meisten Investitionen notwendig - rund zehn Milliarden Euro würden dem Ausbau der Ganztagsbetreuung in Schulen und des Personalschlüssels in Kitas zugutekommen.

Schnelle Erfolge: Bereits bis 2020 würden Investitionen in Bildung 150.000 Jobs schaffen

Die Ergebnisse der Simulation zeigen, dass diese Mehrausgaben das Wachstum stärken, die Beschäftigung steigern und Wohlstand schaffen. Würde der Staat die öffentlichen Investitionen aus den vorhandenen Überschüssen finanzieren, sagen die Modellrechnungen mehr als 600.000 zusätzliche Arbeitsplätze und ein um knapp 100 Milliarden Euro höheres Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2050  vorher.

Gleichzeitig würde die Armutsquote um einen Prozentpunkt und die Zahl der Langzeitarbeitslosen um knapp 350.000 schrumpfen. Trotz der Ausgabensteigerung würden gleichzeitig auch die Staatsschulden um rund 150 Milliarden Euro sinken.

"Die Bundesrepublik braucht eine Investitionsagenda, die den Wohlstand zukünftiger Generationen sichert. Zukunftsinvestitionen sind das Gebot der Stunde."

Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender Bertelsmann Stiftung

Bereits 2020 ließen sich erste positive Effekte festmachen: Investitionen in Bildung könnten über 150.000 neue Jobs schaffen und das BIP um 11 Milliarden steigern; Investitionen in Wohnungsbau würden im Vergleich dazu für 50.000 neue Jobs und ein um 4 Milliarden Euro gesteigertes BIP sorgen.

Investieren in Kitas und Schulen lohnt sich am meisten

Dabei weisen Investitionen in Ganztagsschulen und Kitas den größten Wachstumseffekt mit bis zu 60 Milliarden Euro bis zum Jahr 2050 auf. Auch der Arbeitsmarkt profitiert hier mit einem Plus von über einer halben Million Vollzeitkräften besonders stark und zusätzlich sinkt die Zahl geringfügig Beschäftigter.

Eine Ausweitung des Betreuungsangebots in Ganztagsschulen und Kitas zahlt sich gleich doppelt aus: Einerseits steigt langfristig das Bildungsniveau der Bevölkerung. Andererseits verbessert sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wodurch schon in der kurzen Frist positive Beschäftigungseffekte entstehen. Insbesondere Frauen mit Kindern und Kinder aus Nicht-Akademiker-Familien könnten ihre Einkommenslücke im Vergleich zu Männern mit Kindern beziehungsweise Kindern aus Akademiker-Familien langfristig um 3,5 beziehungsweise knapp 6 Prozentpunkte verringern.

Stabile Staatsfinanzen und gleichzeitig Investitionen in die Zukunft – geht das?

Die Modellrechnung zeigt, dass sich die untersuchten Investitionsprogramme über höheres Wachstum, mehr Beschäftigung und erhöhte Staatseinnahmen mittel- bis langfristig selbst finanzieren und damit fiskalisch nachhaltig sind. Bereits nach 9 Jahren erwirtschaften die Bildungsinvestitionen Überschüsse, die zur Schuldentilgung verwendet werden können. Investitionen in Wohnungsbau und Infrastruktur erzeugen nach 12 beziehungsweise 14 Jahren Überschüsse. Mit knapp 12 Prozent pro Jahr generieren Investitionen in Kitas und Ganztagsschulen im Vergleich zum Wohnungsbau (7,1 Prozent) und zur Infrastruktur (8,2 Prozent) die höchste fiskalische Rendite. „Stabile Staatsfinanzen und Investitionen in die Zukunft müssen kein Widerspruch sein. Vorhandene fiskalische Spielräume sollten deshalb zur Stärkung öffentlicher Investitionen genutzt werden“, so unsere Wirtschaftsexpertin Manuela Barišić.