Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump kommen morgen zum ersten Mal im Weißen Haus zusammen. Die strategische Ausgangslage, mit der Merkel konfrontiert ist, unterscheidet sich stark von früheren Besuchen, als sie von Präsident George W. Bush und Barack Obama empfangen wurde. In Europa muss Merkel derzeit ein Problem nach dem anderen meistern – vom Brexit bis zur Eurokrise und der Umsetzung von Minsk II.
Die vielleicht schwierigste – und am wenigsten erwartete – Herausforderung wird nun darin bestehen, die Beziehung zu einem ehemals zuverlässigen und nun von Trump regierten Bündnispartner zu pflegen. Trump fällte harsche Urteile zu Deutschlands Handels- und Flüchtlingspolitik sowie zu dessen Rolle in der NATO und der EU. Damit schuf er bereits einen neuen Verhandlungsrahmen, der sich von den traditionellen Leitlinien der Beziehungen zwischen Washington und Berlin unterscheidet.
Sowohl Trump als auch Merkel haben durch ihre öffentlichen Aussagen seit der Wahlnacht den Handlungsspielraum weiter verengt. Dies müssen beide bei der Vorbereitung auf ihr Treffen am Freitag einkalkulieren. Washington erlebt derzeit ein politisches Erdbeben, das sich von der Spitze der Hierarchie nach unten ausbreitet. Mit den Folgen dieses Erdbebens sind Merkel und ihr Team konfrontiert, und die Bundeskanzlerin muss zudem einem oft unberechenbaren und prahlerischen Gegenüber die Stirn bieten. Sie wird daher ihre bewährte Taktik durch neue Szenarien ergänzen müssen, um sich auf Trumps chaotische, von persönlichen Vorlieben und Abneigungen geprägte Regierungspraxis vorzubereiten und sich auf die Mentalität eines Präsidenten einzustellen, der die Welt aus dem Blickwinkel des Geschäftsmannes sieht. Da Merkels Treffen mit Trump unmittelbar bevorsteht, ist es an der Zeit, die wichtigsten Faktoren zu untersuchen, die bei der Begegnung der beiden Politiker am Freitag eine Rolle spielen werden.