Ein Mann steht vor einer Tafel voll von mathematischen Formeln und erklärt drei Personen, die vor ihm sitzen, etwas.

Gesetzliche Krankenversicherung für Beamte würde Bund und Länder um 60 Milliarden Euro entlasten

Geht es um Gesundheit, ist Deutschland zweigeteilt: Während alle Arbeitnehmer verpflichtet sind, sich gesetzlich krankenzuversichern, nutzen neben Selbstständigen vor allem Beamte die private Krankenversicherung. Wäre die gesetzliche Krankenversicherung auch für die Staatsbediensteten Pflicht, könnten Bund und Länder bis 2030 rund 60 Milliarden Euro einsparen und die Beiträge für alle gesetzlich Versicherten sinken.

In Deutschland sind 85 Prozent der berufstätigen und pensionierten Beamten und damit rund 3 Millionen Menschen privat krankenversichert. Das bedeutet: Im Krankheitsfall werden die Kosten zum einen durch die Versicherung und zum anderen über die sogenannte Beihilfe vom Dienstherrn übernommen. Zunächst zahlt der Beamte die Arzt- oder Krankenhauskosten selbst. Nach Vorlage der Rechnung erstattet ihm der Staat 50 bis 70 Prozent – je nach Familiensituation sowie Bundes- und Landesrecht. Den Rest zahlt die Krankenversicherung. Doch die Beihilfe kostet den Staat jährlich Milliarden. Angesichts unserer älter werdenden Gesellschaft mit steigender Tendenz. Durch ein anderes Krankenversicherungssystem könnte  eine Menge dieses Geldes eingespart werden – zum Wohle der Steuerzahler und Versicherten.

Mit überwiegend gesetzlich krankenversicherten Beamten würde der Staat schon im ersten Jahr mehr als drei Milliarden Euro einsparen

Würde die Beihilfe für Beamte abgeschafft und für sie auch die gesetzliche Krankenversicherungspflicht eingeführt, beträfe das rund 67 Prozent der bislang privat versicherten Staatsbediensteten in Arbeit und Ruhestand. Weitere 21 Prozent würden aus finanziellen Gründen freiwillig in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wechseln. Lediglich 12 Prozent der bisher privat versicherten Beamten blieben das aus finanziellen Gründen auch weiterhin. So wären dann insgesamt neun von zehn Beamten gesetzlich krankenversichert und der Staat schnell finanziell entlastet: Mit einem Großteil der Beamten in der GKV könnten Bund und Länder bereits im ersten Jahr etwa 1,6 beziehungsweise 1,7 Milliarden Euro einsparen. Bis 2030 würden die öffentlichen Haushalte um insgesamt rund 60 Milliarden Euro entlastet.

"Wenn für Beamte auch die gesetzliche Krankenversicherungspflicht gelten würde, würden nicht nur die meisten Länder finanziell profitieren, sondern auch der Bund. Das wäre eine Entlastung für jeden Steuerzahler."

Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung

Westdeutsche Bundesländer profitieren am stärksten von der GKV-Pflicht für Beamte

Für seine gesetzlich krankenversicherten Beamten müsste der Staat zwar den üblichen Arbeitgeberbeitrag zahlen. Das wäre aber für den Bund und die meisten Länder weniger als was sie derzeit für die Beihilfe ausgeben. Und: Je mehr pensionierte Beamte in der GKV, desto größer die Einsparungen, denn in dieser Altersgruppe fallen die meisten Krankheitskosten an.

Auf lange Sicht könnten 13 von 16 Bundesländern Milliarden einsparen – nur Sachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern würden weiter geringfügig belastet. Besonders profitieren würden mit Nordrhein-Westfalen (9,9 Milliarden), Bayern (rund 7,7), Baden-Württemberg (etwa 6) und Rheinland-Pfalz (um 3,5) vier westdeutsche Länder.

Kommt die GKV-Pflicht für Beamte, können die meisten Bundesländer langfristig viel Geld sparen.

Beihilfeausgaben von Bund und Ländern steigen künftig massiv an

2014 gaben Bund und Länder 11,9 Milliarden Euro für die Beamtenbeihilfe aus. Aufgrund des demographischen Wandels wird es in Zukunft noch teurer: Laut Berechnungen unserer Studie steigen bis 2030 die jährlichen Ausgaben des Bundes für die Beihilfe um 46 Prozent, die der Länder gar um 83 Prozent. Am Ende wären so rund 20,2 Milliarden Euro pro Jahr zu stemmen. Angesichts der Schuldenbremse müsse der Ausstieg aus dem Beihilfesystem für Beamte eingeleitet werden, meint Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung. Je konsequenter die gesetzliche Krankenversicherungspflicht für Beamte umgesetzt werde, desto positiver seien die Effekte für die öffentlichen Haushalte.

Am Ende gewinnen auch die Versicherten

Käme die GKV-Pflicht für Beamte, würden Bund und Länder finanziell entlastet. Doch was hätten die Versicherten davon? Die zusätzlich gesetzlich krankenversicherten Beamten kosteten die GKV jährlich knapp 12 Milliarden Euro mehr. Durch ihre Beiträge könnten aber Mehreinnahmen von über 15 Milliarden Euro erzielt werden. Unterm Strich stände also ein positiver Saldo von 3,4 Milliarden Euro. So wäre es möglich, die Krankenversicherungsbeiträge um 0,34 Prozentpunkte zu senken. Von einer Einführung der GKV-Pflicht für Beamte würden daher alle gesetzlich Versicherten profitieren.

Die komplette Studie finden Sie hier. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse gibt's in Form eines "Spotlight Gesundheit", einer Infografik und im untenstehenden Video.

Bereits im letzten Jahr untersuchten wir die Auswirkungen einer GKV-Pflicht für Selbstständige.