In den letzten beiden Jahren kamen Hunderttausende Menschen aus afrikanischen und asiatischen Staaten nach Europa. Auch innerhalb des Kontinents kehrten Tausende ihrer Heimat den Rücken – vor allem aus den Balkanstaaten. So verzeichnete beispielsweise Deutschland 2015 einen Wanderungsüberschuss von rund 1,139 Millionen Menschen, das heißt, so viel mehr Menschen wanderten in diesem Jahr ein als aus. Das ist ein einmaliger Höchststand. Außerdem stellten in den letzten beiden Jahren 1,16 Millionen Menschen hier erstmals einen Asylantrag. Das ist ebenfalls ein Rekordwert und macht einen großen Teil aller Asylerstanträge in der EU aus (insgesamt 2,46 Millionen).
Asylsysteme entlasten: Flucht und Migration müssen entflochten werden
Die einen flüchten, weil in ihrer Heimat Krieg herrscht oder sie verfolgt werden, die anderen gehen, weil sie daheim keine Arbeit finden, ihre Familie nicht ernähren können oder einfach auf ein besseres Leben hoffen: Zuletzt kamen immer mehr Menschen aus Afrika und Asien nach Europa und auch innerhalb des Kontinents wandern Menschen aus. Doch oft sind Flüchtlinge kaum noch von Arbeitsmigranten zu unterscheiden. Die Asylsysteme belastet das stark. Was tun?
"Gemischte Wanderungen" sind ein Problem für die Asylsysteme
Schon die große Zahl der Neuankömmlinge an sich fordert die Behörden heraus, denn Asylanträge müssen geprüft, bewilligt oder abgelehnt, Unterkünfte bereitgestellt, Menschen in Städten und Kommunen, den Bildungsbereich und den Arbeitsmarkt integriert werden. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Flüchtlinge oft kaum noch von Arbeitsmigranten unterscheiden lassen. Warum Menschen auswandern und welche Wege sie dabei nehmen, bleibt immer wieder undurchsichtig. Angekommen im Zielland, versuchen viele Arbeitsmigranten, über ein Asylgesuch ein Aufenthaltsrecht zu bekommen. Somit fallen ihre Anträge erst einmal mit denen von Menschen zusammen, die flüchteten, weil in ihrer Heimat Krieg herrscht oder sie dort verfolgt werden.
Die sogenannten "gemischten Wanderungen" belasten die Asylsysteme der europäischen Staaten. Das erschwert den Schutz von Flüchtlingen ebenso, wie eine wirksame und entwicklungsfördernde Migrationspolitik zu entwickeln. Unsere von Steffen Angenendt, David Kipp und Amrei Meier von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) erarbeitete Studie versucht, gemischte Wanderungen mit den vorhandenen Daten qualitativ und quantitativ zu erfassen. Außerdem zeigt sie Wege auf, wie die Politik mit dem Phänomen besser umgehen kann. Klar ist, dass dabei Zivilgesellschaft und Wirtschaft unterstützen müssen.
Flüchtlinge in Deutschland und Europa
Bessere legale Zuwanderungswege für Flüchtlinge und Migranten könnten helfen
Die Studienautoren sprechen sich dafür aus, mehr legale Migrationswege für Flüchtlinge zu schaffen – unter anderem in Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern. Erstaufnahmeländer müssen unterstützt und Flüchtlingskontingente aus diesen Staaten über ein sogenanntes "Resettlement-Programm" von anderen Ländern übernommen werden. Da der politische Wille für ein solches Programm auf europäischer Ebene momentan fehlt, könnte die Bundesregierung auch mit einem eigenen, nationalen Programm voranschreiten – gegebenenfalls mit einigen Partnerstaaten. Eine solche Initiative ließe sich bei Erfolg später in ein europäisches Programm überführen.
Bessere legale Wanderungsrouten speziell für Arbeitsmigranten könnten ebenfalls dabei helfen, gemischte Wanderungen zu entflechten. Aktuell kommen Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen, auf über 50 verschiedenen Wegen nach Deutschland. Ein Punktesystem oder alternativ eine Reform des bestehenden Systems mit der Blauen Karte EU als zentraler Säule könnten das deutsche Einwanderungssystem überschaubarer und damit attraktiver machen.
Bundesministerium für Migration, Flucht und Integration würde ebenfalls entlasten
Auf institutioneller Ebene wäre es sinnvoll, ein eigenständiges Bundesministerium für Migration, Flucht und Integration ins Leben zu rufen. Ein solches Ministerium, in dem alle mit Einwanderung verbundenen Fragen von Asyl bis Arbeitsmarktintegration gebündelt und koordiniert würden, hätte mehr Handlungsfreiheit, zielgerichtete Konzepte zu erarbeiten und diese auch tatsächlich durchzusetzen.
Die komplette Studie finden Sie hier.