Am 18. September finden in Russland Parlamentswahlen statt. Sind irgendwelche Überraschungen zu erwarten?
Konstantin Benjumow: Wahrscheinlich nicht. Für die regierende Partei "Einiges Russland" verzeichnen zwar einige unabhängige Umfragen sinkende Werte, was ungewöhnlich ist. Aber es gibt bereits genügend Anzeichen dafür, dass sie altbewährte Techniken zum Einsatz bringen wird, um sicherzustellen, dass die Umfrageergebnisse keine Wahlergebnisse werden.
Andererseits hat es viel Gerede gegeben, dass die Partei zum nächsten Parlamentszyklus Veränderungen durchlaufe, vielleicht ihre aktuelle Rhetorik ein bisschen abschwächen werde. Manche Mitglieder der "nicht-parlamentarischen" Opposition in Russland, wie Maria Baronowa, eine Koordinatorin für Michael Chodorkowskis "Offenes Russland", dürfen auch an den Wahlen teilnehmen. Ich denke aber nicht, dass Persönlichkeiten der Opposition besonders viel Einfluss gewinnen werden, aber es könnte ein Indikator für eine neue, sanftere Richtung der zukünftigen Duma sein.
Nach den letzten Parlamentswahlen im Dezember 2011 demonstrierten Tausende von Menschen in Moskau und St. Petersburg gegen das Ergebnis und die Regierungspartei "Einiges Russland" von Präsident Wladimir Putin und Ministerpräsident Dimitri Medwedew. Seither hat Russland die Krim annektiert und unterstützt die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine; seither ist die russische Wirtschaft eingebrochen – unter dem Einfluss einer Rezession infolge der sinkenden Ölpreise mehr noch als dem der westlichen Sanktionen (und russischen Gegensanktionen) als Antwort auf die Krim-Annexion. Aber der Rückhalt für Putin war nie höher, wenn wir jüngeren Umfragen glauben. Warum ist das trotz aller Härten für die russische Bevölkerung so?
Unglücklicherweise gibt es keine echten Möglichkeiten, die aktuellen Zustimmungsraten für Wladimir Putin zu bewerten. In Russland arbeiten nur noch wenige unabhängige Meinungsforschungsinstitute.
Aber man kann sicher sagen, dass die Regierung sehr erfolgreich darin war, die öffentliche Zustimmung hinter sich zu sammeln. Die Annexion der Krim haben verschiedene Gruppen sehr befürwortet, von den Nationalisten bis zu den Kommunisten einschließlich derer, die in der Vergangenheit heftige Gegner Putins waren.
Die Wirtschaftssanktionen und Putins Antwort darauf haben diese Unterstützung nicht geschwächt, auch wenn die Bevölkerung sie sicher zu spüren bekommt. Darüber hinaus wurde es mit den Sanktionen für die Verwaltung leichter, wirtschaftliche Misserfolge zu erklären und im Endeffekt dem Westen dafür die Schuld zu geben, auch wenn die Ölpreise eine viel bedeutendere Rolle für die derzeitige Wirtschaftskrise in Russland gespielt haben.
Es gibt viele, die aktiv und deutlich die Rolle Putins in Russland oder zumindest die Entwicklung des Landes seit 2014 kritisieren, aber die vorherrschende Stimmung ist die der Unterstützung.