Österreichs Außenminister Sebastian Kurz gestikuliert mit seinen Händen in der Diskussion mit Moderator Stefan Kornelius.

Die Welt ist nicht allein Europa

Nicht jeder, der gegen eine ungeregelte Zuwanderung nach Europa sei, sollte sofort als Rechtspopulist gelten, unterstrich der österreichische Außenminister Sebastian Kurz bei einem Podiumsgespräch der Bertelsmann Stiftung in Berlin.

Kurz war der Einladung von Liz Mohn, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, gefolgt. Auf der Veranstaltung mit dem Thema: "Radikalisierung bekämpfen – Sicherheit wahren" stellte er sich den Fragen von Stefan Kornelius, Leiter des außenpolitischen Ressorts der Süddeutschen Zeitung.

Im Interesse einer offenen Diskussion sollten Politiker keine Tabus schaffen, über die nur die Rechtspopulisten sprechen dürften, so der Politiker weiter. Der mediale Druck verhindere oft eine "klare Aussprache".

Der Zusammenhalt in Europa bleibe, so der 30-jährige Außenminister, nur durch den "Glauben an Vielfalt" erhalten. "Wenn dieser Glaube wegfällt, haben wir ein Problem. Wir müssen einen gemeinsamen Nenner in Europa finden und den Respekt vor der Vielfalt aufrechterhalten", so sein Plädoyer. Subsidiarität sei das richtige Konzept für Europa.

Kurz verteidigt Schließung der Balkan-Route

Das Schließen der Grenzen für Flüchtlinge auf der Balkan-Route in diesem Jahr verteidigte Kurz erneut als "Notmaßnahme". Damit habe man ein europäisches Problem gelöst und den massenhaften Zustrom an Flüchtlingen schrittweise reduziert: "Wir haben mit der Westbalkanrouten-Schließung nur etwas wiederhergestellt, was durch die europäischen Regelungen immer so vorgegeben war". Vorab sei er zwei Monate lang durch die Balkan-Staaten gereist, um diesen Schritt anzukündigen und mit den Regierungen zu besprechen. Das sei "fair" gewesen, so der Außenminister weiter.

Im Verlauf der Diskussion plädierte er wiederholt dafür, vermehrt etwas dafür zu tun, was den meisten Menschen, die nach Europa kommen wollen, zu Hause nutzen kann. Dazu gehöre erstens der Ausbau von "Hilfe vor Ort", also in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Zweitens müsse das Geschäft der Schlepper gestoppt werden und drittens plädierte er für ein Resettlement-Programm. Das bedeute, Österreich solle selbst entscheiden, wie viele und welche Flüchtlinge ins Land einreisen dürfen.

Von links nach rechts: Moderator Stefan Kornelius, Österreichs Außenminister Sebastian Kurz, die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung Liz Mohn und Österreichs Bundeskanzler a.D. Wolfgang Schüssel. (Foto: Sebastian Pfütze)

Schüssel: "Demokratie braucht Drama"

Liz Mohn betonte in ihrer Eröffnungsrede: "Wir sollten lernen, mit Krisen zu leben. Wenn wir Radikalisierung bekämpfen und Sicherheit wahren wollen, müssen wir diese Welt und dieses Europa aktiv mitgestalten. Die Welt ist nicht allein Europa. Wir müssen Brücken bauen zur Verständigung. Wir müssen Vertrauen aufbauen. Wir müssen gemeinsame Werte finden für die Zukunft einer friedlichen Welt."

Österreichs Bundeskanzler a.D., Wolfgang Schüssel, stellte klar, dass aus dem "Ring aus Freunden" rund um Europa und einer gesamteuropäischen Wertegemeinschaft inzwischen ein "Ring of Fire" geworden sei: "Wenn wir nicht bereit sind, Stabilität zu exportieren, dann werden wir die Instabilität importieren". Jetzt sei es wichtig, eine europäische Afrika-Vision zu entwickeln, um auf dem Kontinent sichtbarer zu werden.

Nicht nur in der Politik setzt Schüssel dabei auf die junge Generation und auf Frauen. "Wir sollten uns als politische Parteien vielmehr öffnen und Beteiligungsformen zulassen, die heute vielleicht noch nicht überall möglich sind", so der Bundeskanzler a.D. Demokratie brauche wirkliche Auseinandersetzung und Drama. Die Frage, die sich Politiker heute stellen müssten, wäre nicht die, ob sie mit ihren Meinungen "richtig" liegen, sondern wofür sie stehen.