Aufschwung an Europas Arbeitsmärkten kommt nicht bei allen Menschen an
Drei Jahre nachdem die Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa ihren Höhepunkt erreichte, haben wieder mehr Menschen Arbeit. Doch die Probleme bleiben groß: 4,6 Millionen Jugendliche sind arbeitslos, viele Europäer können trotz Vollzeitjob nicht von ihrer Arbeit leben und in einigen EU-Staaten sind Teile der Bevölkerung akut von Armut bedroht.
An Europas Arbeitsmärkten geht es etwas bergauf. Im Vergleich zum Höhepunkt der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2013 sind wieder mehr Menschen erwerbstätig. Doch die Arbeitslosenquote liegt weiter über dem Vorkrisenniveau und nicht zuletzt viele junge Menschen sind ohne Job, von Armut bedroht und sozial ausgegrenzt. Besonders brenzlig ist die Situation nach wie vor in Südeuropa. Das zeigt unser Social Justice Index 2016, der in 28 EU-Staaten verschiedene Dimensionen sozialer Gerechtigkeit untersuchte.
2015 hatten 65,6 Prozent der EU-Bürger einen Job – eine leichte Verbesserung gegenüber den letzten beiden Jahren (2014: 64,8 Prozent; 2013: 64,1 Prozent). Zugleich sank die Arbeitslosenquote auf 9,6 Prozent (2014: 10,4 Prozent; 2013: 11 Prozent). Dennoch sind aktuell noch immer weitaus mehr Europäer arbeitslos als vor Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2008. Damals lag die Quote bei 7,1 Prozent. Das gleiche Bild ergibt sich bei der Jugendarbeitslosigkeit: Derzeit haben 20,4 Prozent der jungen Europäer keine Arbeit. 2008 waren es 15,6 Prozent.
Arbeit, aber trotzdem armutsgefährdet
Neben den EU-weit nach wie vor hohen Arbeitslosenquoten zeigt unsere Studie einen besorgniserregenden Trend: Immer mehr Europäer sind trotz eines festen Jobs armutsgefährdet. 2015 betraf das 7,8 Prozent der Vollzeitbeschäftigten – im Vergleich zu 7,2 Prozent in 2013. Verantwortlich dafür sind unter anderem ein wachsender Niedriglohnsektor und eine Spaltung der Arbeitsmärkte in reguläre und atypische Beschäftigungsformen. Zu letzteren zählen Teilzeit, Leiharbeit sowie befristete Jobs und geringfügig entlohnte Stellen.
Jeder vierte EU-Bürger von Armut bedroht
Noch immer sind zwischen Athen und Helsinki 118 Millionen Menschen von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Das ist jeder vierte EU-Bürger. Besonders betroffen sind Teile Süd- und Südosteuropas: In Griechenland leben etwa 36 Prozent der Bevölkerung an der Armutsgrenze, in Rumänien um die 37 Prozent und in Bulgarien gar rund 41 Prozent.
Außerdem stehen europaweit rund 25 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren davor, ein Leben in Armut führen zu müssen. In Griechenland, Italien, Spanien und Portugal trifft das aktuell sogar jeden dritten jungen Bürger – rund 1 Million mehr als noch 2008.
Viele junge Südeuropäer abgehängt und ohne Perspektive
Eigentlich sind sie die Zukunft ihres Landes, doch in Südeuropa bleiben viele junge Menschen im Alter von 20 bis 24 Jahren auf der Strecke, weil sie weder in einer Ausbildung sind noch einen Job haben. In Italien ist das etwa ein Drittel der Jugendlichen. In Griechenland und Spanien (rund 26 beziehungsweise 22 Prozent) liegen die Werte ebenfalls deutlich über dem EU-Durchschnitt (17,3 Prozent).
Unsere Studie zeigt auch eine wachsende Kluft zwischen Jung und Alt: EU-weit sind deutlich mehr Jugendliche von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen als Ältere (26,9 zu 17,4 Prozent). Während fast jedes zehnte Kind in der Europäischen Union schwerwiegende materielle Entbehrungen erlebt, trifft das nur auf rund 6 Prozent der über 65-Jährigen zu.
Deutschland mit Spitzenwerten und Problemen
Deutschland ist vor allem dank seines robusten Arbeitsmarkts vergleichsweise gut aufgestellt und belegt in unserem Social Justice Index Rang sieben. Die Bundesrepublik hat europaweit mit 7,2 Prozent die niedrigste Jugendarbeitslosenquote. Doch auch hierzulande steigt das Risiko arm zu werden – nicht zuletzt für Kinder und Jugendliche. Und entsprechend dem EU-weiten Trend sind in Deutschland ebenfalls trotz Vollzeitjob mehr und mehr Menschen von Armut bedroht: Zwischen 2009 und 2014 wuchs der Anteil der Betroffenen von 5,1 auf 7,5 Prozent.
Die komplette Studie mit weiteren Daten zu allen 28 EU-Mitgliedsstaaten finden Sie hier(in Englisch) und unter www.sgi-network.org
Eine deutsche Zusammenfassung der Studienergebnisse haben wir hier für Sie zusammengestellt.