Bei Protesten in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh gerät ein Demonstrant zwischen Barrikaden und mehrere Polizisten, die mit dem Schlagstock auf ihn einschlagen.

Schwierige Zeiten für demokratischen Wandel

Nicht nur aufgrund der Flüchtlingszahlen nimmt die deutsche Öffentlichkeit internationale Krisen derzeit recht unmittelbar wahr. Konfliktlösungen allerdings sind kaum in Sicht, im Gegenteil: Politische und soziale Spannungen nehmen weltweit zu. Und sie kommen Westeuropa so nah wie lange nicht. Dies ergibt der aktuelle Transformationsindex der Bertelsmann Stiftung (BTI).

Ansprechpartnerin

Ansprechpartner

Demokratie und soziale Marktwirtschaft entwickeln sich weltweit zurück. Zugleich steigt der Einfluss von Religion auf politische Institutionen und Rechtsordnungen. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Transformationsindex der Bertelsmann Stiftung (BTI), der seit 2006 alle zwei Jahre 129 Entwicklungs- und Transformationsländer analysiert. Demnach schränken viele Regierungen Freiheit und Bürgerrechte immer stärker ein, um ihre eigene Macht zu sichern. Selbst in relativ stabilen Demokratien sind Regierungen oft nicht in der Lage, politische und soziale Konflikte zu entschärfen.

Die 250 Wissenschaftler, die für den BTI die Entwicklungs- und Transformationsländer anhand von 17 Kriterien beobachten, bescheinigen lediglich noch sechs Staaten eine sehr gute Regierungsqualität – so wenigen wie nie. Demgegenüber stehen 46 Länder, deren Regierungen laut BTI in ihren Transformationsbemühungen schwach oder gescheitert sind.

Religion gewinnt an Einfluss auf Politik

Die Intensität von sozialen, ethnischen und religiösen Konflikten hat laut BTI in den letzten zehn Jahren zugenommen. Gesellschaftliche Auseinandersetzungen werden zunehmend entlang religiöser Konfliktlinien ausgetragen. Extremistische Organisationen wie Boko Haram, Al-Qaida, Islamischer Staat und Taliban, die zumeist einer militant-dschihadistischen Ideologie anhängen, befördern diese Konflikte. 

Eine stärkere religiöse Aufladung von Politik ist weder ausschließlich begrenzt auf den arabischen Raum, noch auf muslimische Mehrheitsgesellschaften, auch wenn sie dort am stärksten ausgeprägt ist. Zum Beispiel in Irak, Libyen, Türkei und Äthiopien sind Rechtsordnung und politische Institutionen einem stärkeren Einfluss von Religion ausgesetzt als 2014. In den vergangenen zehn Jahren nahm der Einfluss religiöser Dogmen in 53 Ländern zu und nur in 12 Ländern ab, einer der stärksten Negativtrends unter allen BTI-Kriterien.

Autokratien wie auch Demokratien entwickeln sich negativ

Auch wenn unter den 129 Entwicklungs- und Transformationsländern die Zahl der demokratisch regierten Länder leicht gestiegen und die Zahl der Autokratien leicht gesunken ist, ist der Trend innerhalb der beiden Regimetypen negativ. Der BTI bezeichnet jetzt 73 Prozent aller Autokratien als "hart", gegenüber 58 Prozent vor zwei Jahren. In ihnen sind willkürliche Inhaftierungen von Menschenrechtlern und Journalisten ebenso an der Tagesordnung wie Druck auf zivilgesellschaftliche Organisationen. In autoritären Regimen wie Ägypten, China oder Russland werden regierungskritische Kräfte immer unnachgiebiger verfolgt und unterdrückt.

Jede zweite Demokratie stuft der BTI als "defekt" ein, jede fünfte mittlerweile sogar als "stark defekt". Besonders ausgeprägt sind Einschnitte in Organisations- und Versammlungsfreiheit. In fast allen Ländern Ostmittel- und Südosteuropa wurde die Presse- und Meinungsfreiheit stärker eingeschränkt als noch vor zehn Jahren.

"Unsere Nachbarschaft ist konfliktreicher, instabiler und autoritärer geworden: rund um Westeuropa hat sich ein Ring of Fire gebildet."

Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung

Deutliche politische und wirtschaftliche Rückschritte haben die Staaten in Nordafrika, dem Nahen Osten und Osteuropa gemacht – in unterschiedlichem, aber alarmierendem Ausmaß. Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung: "Was vor allem beunruhigt, ist die wachsende Unfähigkeit zur gesellschaftlichen und politischen Debatte." Diese Entwicklung begünstige Populismus und Radikalisierung. "Die westliche Welt kann sich gar nicht genug anstrengen, neue Wege des Dialogs in und zwischen den Ländern finden zu helfen", sagte De Geus.

Die Transformationskrisen und Konflikte hängen dem BTI zufolge untrennbar mit sozialen Missständen zusammen. Vormals günstige weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen wurden nicht konsequent genug für Investitionen in Bildung, Gesundheit und sozialen Ausgleich genutzt. Stattdessen lasten Armut, Ungleichheit und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit auf den betroffenen Staaten und entladen sich in Protesten gegen schlechte Regierungsführung.

Die Ergebniszusammenfassung zum BTI 2016 können Sie unten herunterladen. In der rechten Spalte finden Sie unser Buch zum BTI mit detaillierteren Ergebnissen.