Gruppenfoto der Teilnehmer des Salzburger Trilogs 2016

Die Architektur einer neuen europäischen Nachbarschaftspolitik

Die EU muss ihre Position gegenüber ihren Nachbarländern neu bewerten. Es braucht mehr individuelle Konzepte für die Annäherung und Zusammenarbeit, die Akteure sollten grundlegende politische Brandherde in Nachbarstaaten frühzeitig erkennen. Dies war der Tenor des diesjährigen Salzburger Trilogs der Bertelsmann Stiftung.

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Die Europäische Nachbarschaftspolitik bedarf einer dringenden Neuorientierung. Die Gemeinschaft sei von Krisenherden umzingelt, die mittlerweile von Nordafrika bis zur Ukraine reichten. So beschrieb die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Liz Mohn, die Ausgangssituation für den diesjährigen Salzburger Trilog, zu dem die Stiftung in die Mozart-Stadt eingeladen hatte.

Die Konferenz schloss am vergangenen Freitag mit einem nachdrücklichen Appell der Teilnehmer aus Politik, Diplomatie, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst an die Entscheidungsträger der Europäischen Union. 

Was im Jahr 2002 als "ring of friends" begann, habe sich heute zu einem "Ring of Fire" rund um Europa entwickelt, stellte Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler der Republik Österreich a.D., fest. Die 30 Teilnehmer fordern von Brüssel, die strategischen Prioritäten zu überdenken. Die EU müsse sich mit Blick auf die Nachbarstaaten von dem "One size fits all"-Konzept trennen. Die einheitliche Behandlung aller Staaten sei nicht mehr möglich, benötigt würden individuelle Lösungen für jedes Land.

Umgeben von einem "Ring of Fire": Die EU und die Konflikte in ihrer Nachbarschaft. Sie können diese Grafik auf der rechten Seite (in mobiler Ansicht: unten) herunterladen.

Liz Mohn plädierte in ihrer Eröffnungsrede für ein pragmatisches Handeln der EU-Mitglieder: "Wir müssen lernen, mit Krisen zu leben! Die Stiftung empfiehlt, besser Land für Land, Schritt für Schritt an Lösungen zu arbeiten. Zu verschieden sind unsere europäischen Nachbarn. Eines werden wir allerdings auch lernen müssen: Wir müssen trotz aller Differenzen und Widrigkeiten im Dialog bleiben – und das unter Umständen mit Personen und Organisationen, mit denen wir uns dies lange Zeit nicht vorstellen konnten."

Erschwert wird dieser Weg auch durch Vertrauenskrisen innerhalb Europas, wie die Debatte in Salzburg deutlich machte. Sie finden zwischen den Regierungen, zwischen Bürgern und Regierungen, zwischen politischen Parteien und sozialen Gruppen in der Gesellschaft statt. Man lebe mittlerweile in einem Zeitalter der Instabilität, so der Eindruck von Teilnehmern.

Gegenüber den EU-Nachbarstaaten forderten die Teilnehmer konsequentes Handeln ein: Bisher gewährte finanzielle Zuschüsse, Marktzugänge sowie politische und wirtschaftliche Kooperationen müssten auf den Prüfstand gestellt werden. Hilfen dürfe es nur noch für konkrete Projekte geben statt Geld nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen. Unterstützt werden sollten beispielsweise Nicht-Regierungsorganisationen, der kulturelle Austausch, aber auch die Zivilgesellschaften in den Nachbarstaaten.

Der Versuch der EU, zukünftig zielgerichtet und stabilisierend in die EU-Nachbarländer hinein zu wirken, müsse mit einer effektiveren Grenzsicherung einhergehen. Das bedeute eine bessere Ausstattung der Grenzschutzprogramme, beispielsweise der Agentur Frontex, ebenso wie die Schaffung von Auffangeinrichtungen für Flüchtlinge. Hierfür müsse die EU zusätzlich zehn Prozent des Haushalts bereitstellen.