"Freundschaft verpflichtet – 50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen": Zu diesem Thema diskutierten Tal Alon, Gründerin und Chefredakteurin des hebräischen Magazins "Spitz", die in Tel Aviv lebende Schriftstellerin Sarah Stricker, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland Avi Primor und der Bundestagsabgeordnete der Grünen Sven-Christian Kindler, der auch Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ist. Thilo Kößler vom Deutschlandfunk Köln moderierte die Diskussion.
Den Ausgangspunkt der Diskussion bildete die Feststellung, dass die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist. Die Geschichte verpflichtet Deutschland zu einem ganz besonderen Verhältnis zu Israel. Vor diesem Hintergrund fragte Thilo Kößler die Diskutanten, ob sich damit auch jede kritische Auseinandersetzung mit dem jüdischen Staat verbiete oder ob die enge deutsch-israelische Freundschaft nicht auch zu einem besonders intensiven Dialog verpflichte? Avi Primor betonte, dass für ihn ein offener Umgang und Kritik unentbehrlich seien. Eine Freundschaft könne nur erhalten bleiben, wenn man offen und ehrlich miteinander umgehe. Dies sei gerade auf der politischen und der Verwaltungsebene im Rahmen des deutsch-israelischen Verhältnisses meist nicht der Fall. Primor bezeichnete dies als besorgniserregend.
Uneinig waren sich die Diskutanten im Hinblick darauf, ob von einer Normalisierung der deutsch-israelischen Beziehungen die Rede sein könne. Avi Primor betonte, dass die Beziehungen im Vergleich zu den 60er Jahren sehr wohl als 'normal' angesehen werden könnten. Sarah Stricker hob demgegenüber hervor, dass man nicht von einer 'Normalisierung' der Beziehungen zwischen Deutschen und Israelis sprechen könne. Sie bezog sich dabei auf persönliche Erfahrungen, wonach bei der ersten Begegnung von Deutschen und Israelis bereits kein Smalltalk möglich sei. Vielmehr „gehe es sofort ins Eingemachte“. Ihr Fazit: "Grauen schweißt Menschen manchmal mehr zusammen als Glück es jemals könnte – Deutsche und Israelis kommen nicht voneinander los – ob sie wollen oder nicht."
Auf die Frage wie Israelis, die in Berlin leben, mit der Vergangenheit umgehen, antwortete Tal Alon, dass die Geschichte zwar präsent sei, aber nicht immer negativ. "Ich laufe nicht zum Supermarkt und denke an den Holocaust", so Alon.
Im Hinblick auf die Zukunft maßen alle Diskutanten 'offiziellen' Austauschprogrammen und persönlichen Begegnungen weiterhin eine große Bedeutung bei. Zum einen um, wie Christian Kindler hervorhob, gemeinsam die Erinnerungskultur vor dem Hintergrund der Shoah weiterzuentwickeln. Zum anderen, da persönliche Begegnungen im Hinblick auf die Gesellschaft häufig eine größere Tragweite hätten als die offizielle Zusammenarbeit auf der politischen Ebene, so Stricker.
Die Diskussion am 27. April bildete den Schlusspunkt der Veranstaltungsreihe "Faszination und Befremden: 50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen". Im Rahmen von drei öffentlichen Podiumsdiskussionen diskutierten Experten jeweils unterschiedliche Schwerpunktthemen. Ziel war es, das Verhältnis von Israelis und Deutschen kritisch zu würdigen. Der Fokus lag hierbei zunächst darauf, die Unterschiede in der gegenseitigen Wahrnehmung von Israelis und Deutschen aufzuzeigen und deren Ursachen nachzugehen. Des Weiteren offenbarten die Diskussionen auch Bereiche, in denen beide Länder vor ähnlichen Herausforderungen stehen und eventuell sogar voneinander lernen könnten, wie beispielsweise beim Umgang mit dem Thema gesellschaftlicher Zusammenhalt.
Sendetermin des Mitschnitts der 3. Veranstaltung ist der 6. Mai, 19.15 Uhr im Deutschlandfunk.