Nach der Ermordung des russischen Oppositionellen Boris Nemzow war die offizielle russische Seite schnell mit vier oder fünf "heißen Spuren" bei der Hand, über die mit Gusto von traditionellen und sozialen Medien in Russland und anderswo breit spekuliert wurde. Von islamistischen Racheakten über tschetschenische Attentäter oder die CIA bis hin zu einem potentiellen (natürlich) ukrainischen Rivalen um die Gunst einer Frau ist die Rede. Ein gelungenes Beispiel für etwas, was die Putinsche Informationspolitik – man könnte auch sagen, Propaganda-Maschinerie – perfekt beherrscht, nämlich Vernebelungstaktik. Viele Theorien, überzeugend vorgebracht und von möglichst vielen wiederholt und ausgeschmückt, verwirren, lenken ab – beispielsweise vom Krieg in der Ukraine und Russlands Rolle darin. Ja, sie helfen sogar, vorhandene Feindbilder – Ukraine, USA – weiter zu verschärfen. Es gibt also viele Lügen, aber, wie der russische Schriftsteller Boris Pasternak in seinem einzigen und weltberühmten Roman sagt, "es gibt nur eine Wahrheit".
Wie die aktuelle russische Informationspolitik funktioniert, ob und wie Putins Propaganda die europäische Wahrnehmung beeinflusst, und wie dem zu begegnen ist, war Thema einer Diskussion, zu der die Bertelsmann Stiftung und die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit eine internationale Runde von Medienvertretern am Montag in Berlin eingeladen hatten.