Aufnahme aus der Wall Street in New York: Im Vordergrund ein Schild mit dem Namen der Straße, im Hintergrund die US-Flaggen am Gebäude der New Yorker Wertpapierbörse

INCRA-Rating: USA erhalten Bestnote, Wachstum in Eurozone ist fragil

Trotz eines schwachen ersten Quartals werden Deutschland, Italien und Frankreich 2015 ihr Wachstum fortsetzen. Das ergeben die neuen INCRA-Länderratings der Bertelsmann Foundation. Nicht zuletzt durch die anhaltende Schuldenkrise in Griechenland bestehen jedoch erhebliche Abwärtsrisiken – anders als bei den USA.

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Das gemeinnützige Ratingagentur-Projekt INCRA (International Non-Profit Credit Rating Agency) der Bertelsmann Foundation in Washington, DC ermittelte, dass die USA in den kommenden Jahren aller Voraussicht nach ein verlässlicherer Motor der Weltwirtschaft sein werden – mit einem erwarteten Wachstum von 1,5 bis 3 Prozent für 2015 und von 2,5 bis 3 Prozent für 2016. Trotz einer gewissen Unbeständigkeit von Quartal zu Quartal hat die INCRA das Rating AA+ aus dem Jahr 2013 auf AAA hochgestuft. Niedrige Energiepreise und eine höhere Beschäftigungsrate bilden eine stabile Grundlage für das weitere zukünftige Wachstum der amerikanischen Wirtschaft.

Bei der Bewertung der Staatsverschuldung fließen neben traditionellen makroökonomischen Daten auch zukunftsgerichtete Indikatoren in die Analysen von INCRA ein. Diese Indikatoren sind stark qualitativ orientiert und berücksichtigen unter anderem das Krisenmanagement und die Reformfähigkeit der Länder ebenso wie Investitionen in Bildung und Infrastruktur.

Weitere Ergebnisse zur Eurozone:

  • Die Binnennachfrage bleibt in Frankreich, Deutschland und Italien weiterhin der wichtigste Wachstumsfaktor. In Deutschland hat die Binnennachfrage von Lohnerhöhungen, einem Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen und einem fortgesetzten Exportwachstum profitiert, was das Wachstum 2015 weiter beschleunigen wird. In Frankreich und Italien haben sich die anfänglichen Hoffnungen auf Impulse durch den Außenhandel 2015 bisher nicht konkretisiert.
  • Trotz der neuesten Monatszahlen und entgegen häufig geäußerten Befürchtungen, insbesondere in Deutschland, besteht das Problem der Eurozone nicht in einer Inflation, sondern im allgemeinen Fehlen einer Inflation. Der italienische Verbraucherpreisindex ist 2014 kaum gestiegen, nämlich um gerade einmal 0,2 Prozent. Auch in Deutschland und Frankreich bleibt die Inflation deutlich unter dem von der Europäischen Zentralbank ausgegebenen Ziel von 2 Prozent.
  • Die Jugendarbeitslosigkeit stellt in Frankreich und Italien eine große Herausforderung dar. Während die hohe Arbeitslosigkeit in Europa insgesamt Anlass zur Sorge gibt, hat die Arbeitslosenquote in Deutschland den niedrigsten Stand der letzten zwanzig Jahre erreicht. Die deutsche Jugendarbeitslosenquote ist die zweitniedrigste der Welt.
  • Deutschland, Frankreich und Italien tragen erhebliche Haftungsrisiken im Hinblick auf mögliche zukünftige Rettungsaktionen für Staaten oder Banken in der Eurozone. Insbesondere für Frankreich, das als schwächeres Mitglied der Kernländer der Eurozone gilt, könnten mögliche künftige Rettungsmaßnahmen negative Nebeneffekte für seinen Bankensektor haben. Gleichzeitig bedroht ein mögliches Übergreifen der Schuldenkrise Griechenlands noch immer das Vertrauen der Anleger in Italien.

Länderspezifische Beobachtungen:

  • Deutschland: Die sozialen Sicherungssysteme stellen die einzige bemerkenswerte Ausnahme bei den ansonsten positiven zukunftsgerichteten Indikatoren des Landes dar. Der Bericht gelangt zu dem Schluss, dass für Deutschland die Zeit knapp wird, den schwierigen Prozess der Reform des Sozialsystems in Gang zu setzen.
  • Frankreich: Die größten strukturellen Risiken Frankreichs liegen im unflexiblen Arbeitsrecht und in den Beschränkungen der sozialen Mobilität durch Klassen- und Bildungsunterschiede. Trotz der aktuellen Reformanstrengungen sieht der Bericht einen Mangel an politischem Willen für die Umsetzung der notwendigen Reformen.
  • Italien: Obwohl bei der Finanzkonsolidierung in den letzten Jahren beeindruckende Ergebnisse erzielt wurden, hat der Schuldenstand Italiens immer noch eine bedenkliche Höhe. Die daraus resultierenden hohen jährlichen Tilgungsraten erfordern einen ununterbrochenen Marktzugang. Im Fall eines griechischen Staatsbankrotts sind die Auswirkungen auf Italien schwer vorhersehbar.
  • USA: In den USA hat ein gesundes Wachstum nicht nur zu einer Erholung auf dem Arbeitsmarkt geführt, sondern hat auch ein weiteres Problem nahezu verschwinden lassen: Das Defizit des Bundeshaushaltes fiel im US-Haushaltsjahr 2014 auf 2,8 Prozent des BIP und hat so zumindest vorübergehend das US-Haushaltsdefizit reduziert.

Die Bertelsmann Foundation hat ihren Vorschlag für die gemeinnützige internationale Ratingagentur INCRA (International Non-Profit Credit Rating Agency) im Anschluss an die Finanzkrise 2008 und die folgende Kritik an den Praktiken der führenden Ratingagenturen entwickelt. Der erste Bericht mit einer Vorstellung des Konzepts für INCRA und die ersten Länderratings wurden 2012 von der Stiftung veröffentlicht. Die Stiftung ist überzeugt, dass die INCRA-Ratings eine höhere Qualität aufweisen, da eine Vielzahl von spezifischen makroökonomischen und sogenannten zukunftsgerichteten Indikatoren, die die sozioökonomische Entwicklung eines Landes widerspiegeln, in die Ermittlung der Ratings einfließen. Darüber hinaus ermöglicht das INCRA-Konzept eine größere Transparenz im Ratingprozess. Die rechtliche Ausgestaltung des INCRA-Modells zielt darauf ab, Interessenkonflikte zu beseitigen, die mit den führenden Ratingagenturen verknüpft sind.

Hinweis: Die Muster-Ratings der INCRA sind keine kommerziellen Ratings.