Fällt in Tunesien nun der Startschuss für Demokratie und Beschäftigung? Um über die Lage und Zukunft des nordafrikanischen Landes nach Verabschiedung der neuen Verfassung zu informieren, hat die Bertelsmann Stiftung mit Entscheidern aus Europa und Tunesien in Brüssel und Berlin über diese Frage diskutiert.
Im Schatten der ukrainischen Transformationskrise und des Krim-Konflikts segelt das Zehn-Millionen-Volk der Tunesier auf der Transformationswelle von Konsens und Demokratie. Oh, ein Lichtblick positiver Transformation in der direkten europäischen Nachbarschaft? Kann das sein? Das Urlaubsland am Mittelmeer führt die Champion-Liste der arabischen Länder im Transformationsindex der Bertelsmann Stiftung (BTI) an, wenn es um mehr politische und bürgerliche Beteiligungsrechte geht.
"Alle Bürger, Frau und Mann gleich, haben gleiche Rechte und Pflichten, und alle sind gleich vor dem Gesetz ohne Diskriminierung" – besagt Artikel 20 der vor kurzem verabschiedeten tunesischen Verfassung, drei Jahre nach Sturz der Ben-Ali-Diktatur durch die Jasmin-Revolution.
Ein islamisches Land gibt sich eine säkulare Verfassung. Eine schwierige Geburt. Zweieinhalb Jahre hat es gedauert, bis 90 Prozent der Abgeordneten des tunesischen Parlamentes den Verfassungstext verabschiedet haben. "Konsens und Kompromiss sind das wichtigste Erfolgskonzept", betont immer wieder der Fraktionssprecher der islamistischen Ennahda-Partei, Zied Ladhari, die im tunesischen Parlament die Mehrheit stellt. Dank der Vermittlung durch Gewerkschaften, Unternehmerverbände und Menschenrechtsorganisationen konnte das Misstrauen zwischen dem islamistischen und dem säkularen Lager abgebaut werden.
Dieser Konsens steht jetzt vor weiteren Bewährungsproben: Schaffen es die Parteien und die Zivilgesellschaft, diese zarte Pflanze des Konsenses in einer politischen Kompromiss-Kultur zu verstetigen? Gerade, wenn es darum geht, den vorbildlichen Verfassungstext in handfeste Gesetze zu kleiden?