Diskussion

Talentiert, aber sexy? Berlin im Vergleich mit europäischen Hauptstädten

Kreative Weltspitze trifft auf einstürzende Wirtschaftskraft. Dieser Zweiklang prägte jahrelang das Bild der Hauptstadt, die stets ein Magnet für Künstler war, aber kaum mit Wachstum oder Produktivität punkten konnte. Stimmt dieses Klischee? Wie die Stadt im Vergleich anderer europäischer Hauptstädte dasteht, hat eine Studie in Zusammenarbeit mit dem Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) untersucht. Die Ergebnisse haben wir in Berlin u.a. mit dem Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz, DIW Chef Marcel Fratzscher und Christian Kastrop diskutiert.  

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„Du bist verrückt mein Kind, du musst nach Berlin“, dichtete der österreichische Komponist Franz von Suppé schon im vorletzten Jahrhundert über die deutsche Hauptstadt. Tatsächlich prägte dieses Zitat das Image der Stadt nachhaltig, vor allem in den Jahren nach 1989: kreativ, bunt und preiswert war die Stadt, doch das Geld wurde woanders verdient. Das hatte Folgen: So kämpfte die Stadt an der Spree noch in den 1990er Jahren mit Abwanderung und einer deutlich unterdurchschnittlichen Produktivität und Wirtschaftsleistung. Doch ab 2004 begann sich das Blatt langsam zu wenden. Bevölkerungszahlen und Wirtschaftswachstum machten sich auf, den positiven bundesweiten Trends zu folgen oder diese sogar zu überflügeln.

Talente: top. Administration: Flop

Doch wo steht die Hauptstadt 20 Jahre nach dem Mauerfall? Und wohin könnte die Entwicklung in den nächsten Jahren gehen? Diese Frage geht eine aktuelle Untersuchung nach, für die Forscher vom DIW Berlin und der Bertelsmann Stiftung 15 europäische Hauptstädten miteinander verglichen haben. Das Ergebnis: Die Hauptstadt landet in Bereichen wie „Lebenszufriedenheit“ „Technologie“ oder „Administration“ bestenfalls im Mittelfeld. Lediglich wenn es um „Talente“ geht, kann die Stadt ihre Stärken besser ausspielen.

„Eine Großstadt ist kein Ponyhof“, argumentierte Matthias Kollatz, Berliner Finanzsenator, der die Studienergebnisse unter anderem mit den Autoren der Studie, Marcel Fratzscher und Christian Kastrop in Berlin diskutierte. Auch wenn die Ergebnisse aktuell noch ernüchternd seien und nicht jedem alles recht zu machen sei, wünsche er sich mehr Optimismus und Mut in der Spree-Metropole, denn der Trend zeige eindeutig nach oben, so der SPD-Politiker.

Teilhabe der Menschen ist entscheidend

Dass Berlin nicht in jedem Punkt anderen Hauptstädten hinterherrennen müsse, betonte Christian Kastrop. „In Paris kann sich kaum ein Einheimischer noch Innenstadtwohnungen leisten, der Stadtkern sei teilweise reine Touristenattraktion“, so Kastrop. In diesem Punkt sei es gar nicht verkehrt, wenn Berlin „normal“ bleibe, denn insbesondere die Teilhabechancen der Menschen machen eine Stadt für ihre Bewohner attraktiv und lebenswert.

So bleibt auch der zukünftige Weg der Stadt für die Autoren spannend. Wie sich Teilhabe, Mieten und Attraktivität in Städten langfristig auswirken, hänge entscheidend von aktuellen Weichenstellungen der Politik ab, so die Autoren. Daher sei eine Fortführung der Untersuchung sowohl spannend als auch lehrreich für die Stadt, ihre Politiker und Einwohner.

Die komplette Studie finden Sie hier:  https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.701223.de/diwkompakt_2019-144.pdf