Mathe Unterricht mit Smartphone

Chancen der Digitalisierung für individuelle Förderung?

Die digitale Welt verändert das Lernen wie kaum eine gesellschaftliche Entwicklung zuvor. Was bedeutet das für die Schule der Zukunft? Wie können Schüler, Lehrkräfte und Eltern von den Möglichkeiten der Digitalisierung profitieren? Und wo ist Vorsicht geboten? Fragen nach den Folgen, Chancen und Risiken der Digitalisierung berühren den pädagogischen Alltag von Lehrkräften aller Schulformen und -stufen.

Digital unterstütztes Lernen verspricht, die individuelle Lernmotivation zu steigern sowie Lerninhalte und -tempo besser an persönliche Bedürfnisse anzupassen. Wir wissen aber noch viel zu wenig darüber, wann und wie digitale Lernmedien einen wirklichen Nutzen bringen. Zu dieser Debatte möchte die Bertelsmann Stiftung durch ausgewählte Studien, Veranstaltungen und Pilotprojekte einen Beitrag leisten – mit einem vom Lerner her denkenden Ansatz, der nicht nach dem technisch Möglichen, sondern dem pädagogisch Sinnvollen fragt.

Studien zur Digitalisierung

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, hat die Bertelsmann Stiftung drei Studien zur Digitalisierung in Auftrag gegeben und zusätzlich Praxisbeispiele aus unterschiedlichen Schulformen, Schulstufen und Unterrichtsfächern recherchieren lassen.

Ziel ist es, mit den Studien sowie mit den Beispielen aus der Unterrichtspraxis ein tieferes Verständnis von den Möglichkeiten und den Herausforderungen der Digitalisierung im Schulbereich zu gewinnen.  Die Ergebnisse der drei Studien wurden im Herbst 2015 im Rahmen des LernLab Schule - Lernen mit digitalen Medien veröffentlicht.

Die erste Studie von Heike Schaumburg stellt den aktuellen Forschungsstand zu Chancen und Risiken digitaler Medien in der Schule dar. Dabei werden zwei Ebenen in den Blick genommen: individuelle Wirkungen digitaler Medien auf Schülerebene und Einflüsse auf der Unterrichtsebene. Die Studie zeigt: Die Digitalisierung bietet Chancen für den Einzelnen wie für den Unterricht – sie birgt jedoch auch Risiken. Um die Chancen für das Lernen zu nutzen und den Risiken angemessen begegnen zu können, muss der Umgang mit digitalen Medien als gemeinsame, integrale Aufgabe der Unterrichts- und Schulentwicklung adressiert werden.

Die zweite Studie von Richard Heinen und Michael Kerres schließt direkt an die Ergebnisse der ersten Studie an und beschäftigt sich mit der Frage, wie Schulen den Prozess der Medienintegration als Handlungsfeld der Schulentwicklung gestalten können: Es werden Überlegungen zur stufenweisen Integration digitaler Medien in Schule und Unterricht angestellt und ein Kriterienraster entwickelt, das Schulen Anhaltspunkte gibt, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um digitale Medien in Schulen systematisch einzuführen – mit dem Ziel individuelle Förderung zu unterstützen. Die Studie mündet in Handlungsempfehlungen für Schulleitungen und Steuergruppen.

Die dritte Studie von Andreas Breiter, Björn Eric Stolpmann und Anja Zeising fokussiert auf die technischen und organisatorischen Bedingungen zur wirtschaftlichen Bereitstellung und den Betrieb einer lernförderlichen und alltagstauglichen IT-Infrastruktur in Schulen. Im Sinne des Modells der „Medienintegration“ werden dabei alle Facetten berücksichtigt, die für eine nachhaltige Einbettung relevant sind. Die Handlungsdimensionen reichen deutlich über die Sphäre der Einzelschule hinaus: So sind neben dem Schulministerium, das den Rahmen für Medienbildung vorgibt, insbesondere auch die kommunalen Schulträger als Sachaufwandsträger zu berücksichtigen.

Pilotprojekt „Flip your class!

Beim Flipped Classroom-Ansatz werden die zentralen Aktivitäten des Lehrens und Lernens umgekehrt: Die Inhaltsvermittlung und -erschließung erfolgt unabhängig von Ort und Zeit über das Internet (z.B. mit Lernvideos oder selbst erstellten „Screencasts“), die gemeinsamen Präsenzphasen bzw. der Unterricht können für die Vertiefung, Übung / Anwendung oder Reflexion des Gelernten genutzt werden. Der Ansatz bietet Lehrkräften dementsprechend mehr Möglichkeiten, in heterogenen Lerngruppen individuell auf die Bedürfnisse einzelner Schüler einzugehen. So zumindest die graue Theorie… Ob und wie das in der Praxis funktioniert, erproben derzeit drei Berliner Schulen unter wissenschaftlicher Anleitung von Prof. Christian Spannagel. Weitere Informationen zum Projekt „Flip your class!“

Die Publikation „Flipped Classroom – Zeit für deinen Unterricht“ präsentiert Erkenntnisse aus dem Projekt und gibt Handlungsempfehlungen für die Praxis. Zudem dokumentiert sie die Erfahrungen von Lehrkräften aus ganz Deutschland, die schon länger mit diesem Ansatz arbeiten: Beispiele aus unterschiedlichen Unterrichtsfächern, Schulformen und -stufen vermitteln die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Methode. Ergänzend fließt die Perspektive von Praktikerinnen und Praktikern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz von der Flipped Classroom Convention 2017 ein.