Wer ein Kind hat, hat Anspruch auf Kindergeld und kann bei der Einkommensteuer den Kinderfreibetrag geltend machen, da das Existenzminimum von Kindern nicht besteuert werden darf. Eine großzügige Familienförderung durch den Staat? Eher nicht! Denn Familien erhalten nicht beides. Vielmehr werden die beiden Instrumente miteinander verknüpft, in dem das Kindergeld auf die Wirkung des Kinderfreibetrags angerechnet wird.
Kindergeld oder Freibetrag?
Familien wissen es oft selbst nicht. Im Rahmen der Einkommensteuerklärung prüft das Finanzamt, wie hoch die Steuerentlastung durch den Kinderfreibetrag ausfällt und vergleicht sie mit dem ausgezahlten Kindergeld. Liegt die Entlastung aufgrund eines geringen Haushaltseinkommens unter dem Betrag, der über das Jahr an Kindergeld ausgezahlt wurde, haben diese Familien tatsächlich durch das ausgezahlte Kindergeld eine finanzielle Familienförderung erhalten.
Bei Familien mit einem größeren Einkommen, bei denen die Entlastung durch den Kinderfreibetrag höher ausfällt als das über das Jahr gezahlte Kindergeld, wirkt allein der Kinderfreibetrag. Das Kindergeld wird darauf angerechnet. Diese Familien erhalten daher keine finanzielle Familienförderung durch das Kindergeld, sondern werden lediglich verfassungsgemäß besteuert.
Vielen Familien ist die Aufrechnung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen gar nicht bewusst. Dadurch entsteht auch der Eindruck, dass alle Familien sehr großzügig vom Staat gefördert werden. Tatsächlich bekommen viele Familien aber gar keine finanzielle Förderung in Form des Kindergeldes, weil bei ihnen das Kindergeld vollständig auf die Kinderfreibeträge angerechnet wird.
Kinderfreibeträge sind keine Familienförderung
Der Kinderfreibetrag ist aber keine staatliche Familienförderung. Auch hier liegt eine Fehlinterpretation vor. Er ist verfassungsmäßig vorgeschrieben, weil das Existenzminimum eines Kindes nicht besteuert werden darf – genauso wenig wie das eines Erwachsenen. So gibt es für Erwachsene den Grundfreibetrag, für Kinder den (niedriger angesetzten) Kinderfreibetrag.
In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder angeführt, dass besser verdienende Familien über die Kinderfreibeträge stärker „gefördert“ werden als Familien mit geringem Einkommen. Bei den Grundfreibeträgen für Erwachsene diskutiert niemand, ob sie Besserverdienende stärker entlasten und damit ungerecht ausgestaltet sind. Bei den Kinderfreibeträgen aufgrund der Verbindung mit dem Kindergeld schon.
Neue Studie fordert Entflechtung
Eine Entflechtung der beiden Instrumente ist aus der Sicht des Autors geboten. Welche Optionen es dafür gibt, stellt er in der Studie kurz vor. Dabei verweist er auch auf die Idee einer gebündelten Familienleistung im Sinne eines „Teilhabegeldes“ für Kinder und Jugendliche, wie es der Expert:innenbeirat des Projektes „Familie und Bildung: Politik vom Kind aus denken“ unter Mitwirkung des Autors entwickelt hat. Ein solches Teilhabegeld würde alle auf Kinder und Jugendliche bezogenen finanziellen Leistungen, wie Kindergeld, SGB-II-Regelsätze für Kinder, Kinderzuschlag und die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets ersetzen.
Damit gezielt Familien mit geringem oder keinem Einkommen unterstützt werden, müsste das Teilhabegeld mit steigendem Einkommen abgeschmolzen werden. Neben dem Teilhabegeld würden die im Steuerrecht verankerten Kinderfreibeträge zur grundgesetzlich gebotenen Verschonung des Existenzminimums (einschließlich des Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarfs) aufrechterhalten.
Die Berücksichtigung von Kindern durch Kinderfreibeträge und Kindergeld
Im geltenden Recht werden Kindergeld und Kinderfreibeträge miteinander verknüpft. Doch diese Verflechtung führt zwangsläufig zu Fehlinterpretationen, wie eine neue Studie von Prof. Christian Seiler von der Universität Tübingen zeigt.