Gemeindepersonal wird immer älter
Der Anteil älterer Beschäftigter (ab 55 Jahre) in den Gemeinden steigt. Machte diese Gruppe 2004 noch 13 Prozent des Personals aus, waren es 2014 bereits 25 Prozent. Der Anteil jüngerer Beschäftigter (bis 30 Jahre) blieb im selben Zeitraum mit rund 12 Prozent konstant. In einer tragfähigen Altersstruktur sollte der Anteil beider Altersgruppen ähnlich groß sein und sich in der Summe auf Werte zwischen 40 und 50 Prozent des gesamten Personalbestandes belaufen. Lediglich in acht der 396 Gemeinden war dies 2014 der Fall. „Eine tragfähige Altersstruktur der Mitarbeiter der Städte und Gemeinden ist heute die absolute Ausnahme“, sagt Friederike-Sophie Niemann, Expertin der Bertelsmann Stiftung und eine der Autoren der Studie „Das berechenbare Problem? Die Altersstruktur der Kommunalverwaltungen.“
Obwohl die Herausforderung der Alterung des kommunalen Personals weithin bekannt ist, werden Gegenmaßnahmen oftmals noch nicht in erforderlichem Umfang ergriffen. „Das eigentliche Problem ist dabei nicht die Leistungsfähigkeit älterer Beschäftigter, sondern der Verlust an Wissen und Erfahrung, wenn diese in Rente gehen“, sagt Kirsten Witte, Leiterin des Programms LebensWerte Kommune der Bertelsmann Stiftung. Das Risiko liegt in der passenden Nachbesetzung der Stellen.
Rekrutierung von Personal wird schwieriger
Die Sicherung von Nachwuchskräften hat eine hohe Relevanz für die Personalabteilungen der Gemeinden. Die Rekrutierung stößt jedoch an etliche Grenzen. So beschränken sich die Engpässe zwar bisher noch auf wenige Berufsgruppen wie Mediziner, Ingenieure, Feuerwehrleute, Erzieher in Kindertagesstätten (Kita) oder Sozialarbeiter. Die Zahl betroffener Berufsgruppen wächst jedoch, denn neue Entscheidungen von Gerichten, von den Ländern oder vom Bund müssen von Kommunen umgesetzt werden und erfordern teilweise neue Fachkompetenzen. Darüber hinaus suchen landesweit alle Gemeinden ähnlich qualifiziertes Personal. Hinzu kommt, dass sich Engpässe in den genannten Berufsgruppen meist nicht über eigene Berufsausbildungen decken lassen, da sie beispielsweise ein Hochschulstudium voraussetzen.
Besondere Herausforderungen für die Personalplanung der Gemeinden resultieren auch aus Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene, wie zum Beispiel in Bezug auf die Erhöhung von Standards, die einen verstärkten Personalbedarf nach sich ziehen. Zwar wächst die Stellenzahl in den Haushalten der NRW-Gemeinden nach vielen Jahren der Schrumpfung seit 2009 wieder an — Ursache dafür ist vorrangig der anhaltende Ausbau der Kindertagesstätten. Gemeinden, welche Kita auf freie Träger ausgelagert haben, verzeichnen im Durchschnitt hingegen weiterhin einen Rückgang der Stellenzahlen.
Wettbewerb um junges Personal hat begonnen
Zwischen den Gemeinden entsteht inzwischen ein intensiver Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs: „Das Nachsehen haben dabei vor allem strukturschwache Gemeinden, die oft als wenig attraktiv gelten und durch hohe Haushaltsdefizite bei ihren Rekrutierungsbestrebungen gehemmt sind“, sagt Niemann. Einige Gemeinden werden die zukünftigen Lücken nicht vollständig decken können. Die Konsequenz könnten dann weitere Privatisierungen oder Einschnitte im Angebot öffentlicher Leistungen sein. Die oft beschriebene wachsende Ungleichheit zwischen starken und schwachen Gemeinden wird somit auch über das Personal weiter verschärft.
Den entscheidenden Handlungsansatz sehen die Autoren der Studie in der Praxis der Personalarbeit. „Mit dem Gehaltsniveau können Gemeinden insbesondere mit Blick auf technische oder medizinische Berufe nicht werben. Strategisches Denken, frühzeitiges Gegensteuern bei sich abzeichnenden Personalengpässen, moderne Instrumente und Wege der Rekrutierung, Arbeitgebermarketing, flexible Arbeitszeiten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder gute Führung sind hingegen kostenneutral“, so Niemann. In diesen Bereichen liegt Potenzial, Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. Ein Umdenken ist jedoch auch in der Politik erforderlich. Investitionen in gutes Personal sind für die Funktionsfähigkeit der Gemeinden sowie für den Erhalt der Lebensqualität der Bürger genauso wichtig wie solche in den Bau von Straßen oder Gebäuden.
Zusatzinformationen
Die Daten der Studie „Das berechenbare Problem? Die Altersstruktur der Kommunalverwaltungen.“ basieren auf einer Sonderauswertung der amtlichen Personalstatistik des Landes durch IT.NRW im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Erfasst wurden die Vollzeitäquivalente der Kernhaushalte aller 396 Gemeinden in Nordrhein-Westfalen für die Jahre 2004 und 2014. Die Einflussfaktoren auf die Alterung der Gemeinden wurden über eine Regressionsanalyse geprüft. Ergänzend wurden acht qualitative Interviews mit Experten aus Gemeinden unterschiedlicher sozioökonomischer Kontexte sowie aus Verbänden geführt. „Analysen & Konzepte“ ist eine Reihe aus dem Programm LebensWerte Kommune der Bertelsmann Stiftung. Sie erscheint etwa sechs Mal im Jahr zu den Themen Demographie, Finanzen und Soziales.
Downloads
- Grafik: Altersstruktur der Gemeindeverwaltungen in NRW im Zeitvergleich
- Grafik: Anteile jüngerer und älterer Beschäftigter in ost- und westdeutschen Kommunalverwaltungen im Zeitvergeich
- Grafik: Anteile jüngerer und älterer Beschäftigter auf Länderebene im Zeitvergleich
- Grafik: Das Nachwuchspotenzial schwindet
- Grafik: Einflussfaktoren auf den Altersdurchschnitt der Kernhaushalte der Gemeindeverwaltungen NRW
- Faktenblatt: Anteil älterer Beschäftigter in den Gemeinden NRWs