Fotoserie für den Ländermonitor berufliche Bildung 2017 und das Projekt Chance Ausbildung II
Valeska Achenbach

Pressemeldung, , : Region und Schulbildung entscheiden über Chancen auf Ausbildungsmarkt

Die Ausbildungsperspektiven für Jugendliche sind stark abhängig vom Wohnort. Im Norden ist es für Bewerber schwer, eine Stelle zu finden, im Süden können Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. Bundesweit hat sich die Situation für Bewerber leicht verbessert, Hauptschüler profitieren davon jedoch kaum.

  • PDF

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, blickt besorgt auf die langfristige Entwicklung: "Die duale Ausbildung ist zentral für Deutschland, steht aber im Wettbewerb mit den Hochschulen unter Druck. Die verbesserten Chancen auf eine Ausbildung sind wichtig." Damit nach Jahren des Rückgangs sich der Aufwärtstrend fortsetzt, sollten die Ausbildungsbedingungen attraktiver und Aufstiegs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten für beruflich Qualifizierte bekannter gemacht werden.

Betriebe und Azubis finden sich nicht

Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt scheint paradox. Stand 2016 fanden Betriebe für 43.000 Ausbildungsstellen keinen passenden Bewerber. Knapp acht Prozent aller Stellen blieben damit unbesetzt. In den ostdeutschen Flächenländern waren es sogar über zehn Prozent aller Ausbildungsplätze. Trotz der offenen Stellen gingen bundesweit im letzten Jahr 80.000 der Ausbildungsbewerber (13,4 Prozent) leer aus. Jugendliche und Betriebe kommen schon geographisch oft nicht zueinander. Im Süden Bayerns suchen die Betriebe händeringend Azubis, im Ruhrgebiet ist die Situation umgekehrt. Hinzu kommt, dass Ausbildungsstellen in Berufen und Betrieben angeboten werden, für die sich Bewerber nicht interessieren. Besonders schwer haben es kleinere Betriebe, die in für Jugendliche unattraktiven Berufen ausbilden, beispielsweise im Hotel- und Gaststättengewerbe. "Wir können uns weder offene Ausbildungsstellen noch ausbildungslose Jugendliche leisten", so Dräger. Er fordert deshalb: "Betriebe sollten neue Wege der Bewerberansprache einschlagen, sich verstärkt neuen Zielgruppen öffnen und in unattraktiven Berufen die Rahmenbedingungen verbessern." Gleichzeitig bräuchten insbesondere kleine Betriebe bessere Unterstützung bei der Ausbildung, zum Beispiel in Form von sozialpädagogischer Begleitung von Betrieb und Azubi. Die vorhandenen Fördermöglichkeiten sind oft zu unflexibel und zu wenig bekannt.

Schlechte Chancen für Hauptschüler

Obwohl sich die Lage für Bewerber verbessert hat und Stellen unbesetzt bleiben, profitieren Hauptschüler davon kaum. Im Jahr 2015 gelang es nur 49 Prozent der Schulabgänger mit Hauptschulabschluss oder ohne Abschluss, direkt eine Ausbildung im dualen oder im Schulberufssystem aufzunehmen. 51 Prozent wechseln zunächst in eine der zahlreichen Maßnahmen des Übergangssystems, in denen kein Berufsabschluss erworben werden kann.
"Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, Hauptschülern einen besseren Zugang zu Ausbildung zu ermöglichen", findet Dräger. "Denn wer Abitur macht, hat einen Studienplatz praktisch sicher. Wer einen Haupt- oder mittleren Schulabschluss hat, geht dagegen auf dem Ausbildungsmarkt häufig leer aus". Die Bertelsmann Stiftung tritt dafür ein, jedem jungen Menschen die Chance auf einen Berufsabschluss zu eröffnen – auch mit einer staatlichen Ausbildungsgarantie.

Jugendliche ohne deutschen Pass besonders benachteiligt

Jugendliche ohne deutsche Staatsbürgerschaft haben im Ausbildungssystem deutlich schlechtere Chancen als ihre deutschen Altersgenossen. Während nur etwa ein Viertel der deutschen Ausbildungsanfänger in eine Maßnahme des Übergangssystems wechselt, sind es unter den Jugendlichen ohne deutschen Pass über die Hälfte (54 Prozent). In Schleswig-Holstein, Sachsen und Bayern sind die Unterschiede zwischen Deutschen und Ausländern besonders ausgeprägt.

Die Gruppe der seit 2015 nach Deutschland zugezogenen Schutz- und Asylsuchenden ist in diesen Werten noch nicht enthalten. Zur Integration der jugendlichen Schutz- und Asylsuchenden in die berufliche Bildung leisten die Länder mit zahlreichen Sonderprogrammen einen wichtigen Beitrag. Diese Programme verknüpfen häufig Sprachkurse mit einer beruflichen Grundbildung oder Orientierung. "Die beruflichen Schulen übernehmen zunehmend integrations- und sozialpolitische Aufgaben – dafür müssen sie finanziell, technisch und vor allem personell ausgestattet werden", fordert Jörg Dräger.

Zusatzinformationen

Das Forschungsprojekt "Ländermonitor berufliche Bildung 2017" des soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI – Prof. Baethge) und der Abteilung für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung der Universität Göttingen (Prof. Seeber) wird von der Bertelsmann Stiftung gefördert. Es untersucht die Situation in den drei Sektoren der beruflichen Bildung (duales System, Schulberufssystem und Übergangssystem) in den 16 Bundesländern vergleichend und im Zeitverlauf. Für das Projekt wurden vorhandene Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung, der Bundesagentur für Arbeit und der statistischen Ämter des Bundes und der Länder ausgewertet sowie Dokumente zu Berufsbildungspolitik aus den Bundesländern analysiert. Schutz- und Asylsuchende, die seit 2015 nach Deutschland gekom-men sind, werden in den vorliegenden Zahlen noch nicht aufgeführt. Ergänzender Hinweis: Am 13.12. hat das Bundesinstitut für Berufsbildung Zahlen zur Entwicklung im Teilbereich duale Ausbildung im Jahr 2017 vorgelegt. Diese sind im Ländermonitor noch nicht berücksichtigt.