Darüber hinaus werden ärmere Haushalte durch Zusatzkosten – etwa für Ausflüge, Verpflegung oder Bastelmaterialen – mehr als doppelt so stark belastet wie wohlhabendere Haushalte: Sie zahlen dafür 3,3 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens, während wohlhabendere Familien lediglich 1,4 Prozent hierfür aufwenden müssen. Diese Zusatzgebühren werden unabhängig von der finanziellen Lage der Familie veranschlagt, monatlich rund 45 Euro.
Für eine generelle Beitragsfreiheit müsste der Staat den Berechnungen der Bertelsmann Stiftung zufolge jährlich rund 5,7 Mrd. Euro aufbringen, für Zusatzgebühren weitere 1,6 Mrd. Euro. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, weist darauf hin, dass bereits für den Aufbau ausreichender und kindgerechter Kita-Plätze allein acht Mrd. Euro im Jahr aufgebracht werden müssten. "Bei der Kita-Finanzierung klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander." Beitragsfreiheit und Qualitätsausbau kosten insgesamt jährlich 15,3 Mrd. Euro – dem gegenüber hat der Bund bislang 3,5 Mrd. Euro für die aktuelle Legislaturperiode zugesagt. Allein im Jahr 2021 fehlen nach aktuellen Planungen 13,3 Mrd. Euro. "Dem politischen Versprechen der Beitragsfreiheit fehlt die finanzielle Substanz. Aktuell ist zu befürchten, dass die Qualität auf der Strecke bleibt."
Für Eltern steht Qualität vor Beitragsfreiheit
Trotz der Belastung durch Kita-Beiträge und Zusatzgebühren wäre – unabhängig vom Einkommen – die Mehrheit der Eltern bereit, für eine bessere Qualität noch höhere Kita-Beiträge zu bezahlen: 59 Prozent der Eltern oberhalb, aber auch 53 Prozent der Eltern unterhalb der Armutsrisikogrenze würden für mehr Personal und bessere Ausstattung auch höhere Beiträge akzeptieren. Dazu Dräger: "Gute Qualität in den Kitas ist Eltern wichtig. Dafür sind sie auch bereit, zu zahlen." Derzeit haben 17 Prozent der Eltern ein Haushaltseinkommen unterhalb der Armutsrisikogrenze. Zwei Drittel von ihnen zahlen Kita-Beiträge, obwohl diese sozial gestaffelt sind. Dräger fordert daher: "Wir brauchen eine Befreiung einkommensschwacher Familien von Kita-Kosten." Laut Schätzungen auf Basis des ElternZOOMs würde dies rund 730 Mio. Euro jährlich kosten.
Wohnort bestimmt maßgeblich über finanzielle Belastung durch Kita-Besuch
Zusätzlich zur repräsentativ angelegten Umfrage hat die Bertelsmann Stiftung sechstausend Eltern aus der ganzen Republik über einen Onlinefragebogen zu ihrer Perspektive auf Kitas befragt. Im Ergebnis wurden große regionale Unterschiede bei der finanziellen Belastung der Eltern zwischen den Bundesländern sichtbar.
Ein Beispiel hierfür ist Berlin mit weitgehender Beitragsfreiheit: Die Gesamtkosten für Kita-Betreuung, also die Summe von Kita-Beiträgen und Zusatzgebühren, machen nur rund zwei Prozent eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens von Kita-Eltern aus. Gleichzeitig ist die Qualität der Krippengruppen, gemessen am Personalschlüssel, in Berlin deutlich schlechter als im Bundesdurchschnitt. In Baden-Württemberg sind die Personalschlüssel demgegenüber bundesweit die Besten, hier beteiligen sich Eltern mit rund sieben Prozent eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens an der Kita-Finanzierung. In Mecklenburg-Vorpommern sind die Personalschlüssel bundesweit mit die ungünstigsten, gleichwohl müssen Eltern mehr als acht Prozent ihres Haushaltseinkommens für Kita-Beiträge und Zusatzgebühren zahlen.
Dräger kritisiert, dass der Wohnort maßgeblich über die finanzielle Belastung der Eltern entscheide. Fairer wäre es, die Kita-Beiträge bundesweit einheitlich zu bemessen – etwa prozentual am Äquivalenzeinkommen. Berücksichtigt würde dabei nur jener Teil des Einkommens, der oberhalb der Armutsrisikogrenze liegt. Armutsgefährdete Eltern sollten vollständig sowohl von den Kita-Beiträgen als auch den Zusatzgebühren befreit werden. Mit Blick auf die enormen Herausforderungen im Kita-Bereich rät Dräger davon ab, die Beitragsfreiheit für alle Eltern zu überstürzen: "Bundesweit fehlen Erzieherinnen und Erzieher, und die Betreuungsschlüssel stimmen in vielen Kitas nicht. Jetzt alle Eltern zu entlasten, würde den politischen Handlungsspielraum für den Qualitätsausbau unnötig verengen." Für ihn ist klar: "Erst die Qualität und dann die Beitragsfreiheit."
Methodische Hinweise:
Die Ergebnisse der Befragung beruhen auf zwei gesondert erhobenen Stichproben. Stichprobe 1 (erhoben durch infratest dimap) umfasst 4.668 Quoten-Befragungen aus einem Online-Accesspanel, welche nach Gewichtung die Merkmale Alter, Geschlecht, Personen im Haushalt, Familienstand, Berufstätigkeit, Bildung, Ost/West und Bundesland passend repräsentieren. Aus dieser "Quotenstichprobe auf Basis repräsentativer Merkmale" lassen sich Aussagen für die gesamte Bundesrepublik ableiten, speziell bzgl. Häufigkeiten und prozentualen Anteilen.
Eine zweite Stichprobe, bestehend aus 5.824 Eltern, wurde über Aushänge in Kitas sowie über Anzeigen in Zeitschriften und online selbst rekrutiert. Hierzu hat die Bertelsmann Stiftung 49.051 Kitas in Deutschland per Mail oder postalisch über die Befragung informiert und ein Infoschreiben als Aushang zur Verfügung gestellt. Durch die aus diesem Vorgehen resultierte Selbstselektion von Eltern wird hier von einer "Interessierten-Stichprobe" gesprochen. Es wird angenommen, dass die teilnehmenden Eltern ein besonderes Interesse an den Themen Kita, Qualität in Kitas und Kindererziehung haben und sich deshalb um eine Teilnahme der Befragung bemüht haben.
Für Aussagen zu bestimmten Fragestellungen auf Bundesländerebene wurden beide Stichproben zusammengelegt. Dadurch können die Einstellungen, Ansichten und Empfinden möglichst vieler Eltern berücksichtigt werden. Zudem liegen somit ausreichend große Unterstichproben vor, so dass Zusammenhänge zwischen einzelnen Aussagen und Antworten als robust angesehen werden können. In der Studie wird sie "Gesamtstichprobe" genannt.
Die Berechnungen zu den Kosten des Qualitätsausbaus beruhen auf Veröffentlichungen des Ländermonitors frühkindliche Bildungssysteme (www.laendermonitor.de).