"Der Report zeigt: Globalisierung kann eindeutig Wohlstandsgewinne schaffen. Protektionismus ist der falsche Weg. Doch die Globalisierung muss so gestaltet werden, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Nur so können wir ihr Erfolgsversprechen einlösen", kommentiert Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, die Ergebnisse.
Grundlage für die Berechnung der globalisierungsbedingten Wohlstandsgewinne ist ein Index, der sich eng am sogenannten KOF Globalisierungsindex der Technischen Hochschule Zürich orientiert und den Grad der internationalen Verflechtung anhand von Indikatoren zur wirtschaftlichen, politischen und sozialen Ausprägung der Globalisierung misst. Gemäß dem Index sind die Niederlande und Irland die am stärksten globalisierten Länder. Indien und China hingegen sind unter den Letztplatzierten, weil hier die Öffnung der Märkte im Vergleich zu vielen Industrieländern später eingesetzt hat, es immer noch viele Marktzugangsschranken gibt und der jeweilige Binnenmarkt eine wichtige Rolle spielt.
Gewinner der Globalisierung: die Schweiz ist vorn, Indien Schlusslicht
Von 1990 bis 2016 wuchs das reale BIP aufgrund der voranschreitenden Globalisierung in allen 42 untersuchten Länder im Schnitt um rund eine Billion Euro pro Jahr. Dies entspricht in etwa der Wirtschaftsleistung einer mittelgroßen Volkswirtschaft wie Mexiko oder Südkorea.
Alle untersuchten Länder verzeichnen ein globalisierungsbedingtes Wachstum, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß: Am stärksten profitieren laut Untersuchung die Schweizer. Das reale BIP pro Einwohner wuchs dort globalisierungsbedingt zwischen 1990 und 2016 um rund 1.900 Euro pro Jahr. In Indien, dem Schlusslicht bei den globalisierungsbedingten Zuwächsen, stieg es nur um durchschnittlich 20 Euro pro Jahr. Auch China (80 Euro pro Jahr) und Mexiko (120 Euro pro Jahr) verzeichnen nur unterdurchschnittliche absolute Zuwächse.
Grund für diese niedrigen Zuwachsraten in den Schwellenländern ist vor allem das dort vorherrschende geringe Ausgangsniveau des BIP pro Kopf zum Startpunkt der Messung. Schwellenländer wie China und Indien standen 1990 noch ganz am Anfang einer dramatischen Wachstumskurve und schneiden somit bei den absoluten Zuwächsen insgesamt schlechter ab als Industrieländer, die schon damals stärker international vernetzt waren.
Globalisierungsgewinne besser verteilen
Als eine der größten Baustellen der Globalisierung gilt aus Sicht der Bertelsmann Stiftung die ungleiche Verteilung der Globalisierungsgewinne zwischen Industrie- und Schwellenländern und innerhalb einzelner Staaten. Da die Industrieländer seit langer Zeit über eine höhere Wirtschaftsleistung pro Einwohner verfügen, sind auch die absoluten Globalisierungsgewinne deutlich höher und für die Schwellenländer schwierig aufzuholen. Cora Jungbluth, Wirtschaftsexpertin der Bertelsmann Stiftung, sieht hier eine Wiederbelebung der WTO-Handelsrunden als mögliche Lösung: "Wir müssen eine internationale Wirtschaftsordnung fördern, die nicht auf das Recht des Stärkeren, sondern auf gemeinsame, verbindliche Regeln und Standards setzt", so Jungbluth. Nur so lassen sich Globalisierungsgewinne möglichst breit verteilen. Dazu gehören laut Bertelsmann Stiftung Marktöffnungen in Schwellenländern genauso wie der Subventionsabbau in Industrieländern.
In den Industrieländern sehen die Experten der Bertelsmann Stiftung hingegen die Notwendigkeit, die offensichtlichen und materiell greifbaren Vorteile der Globalisierung so zu verteilen, dass alle Bürger beteiligt werden. "Wir sehen anhand der Daten, dass uns die Globalisierung, gerade in Deutschland, deutliche Wohlstandsgewinne beschert", so Jungbluth. Deshalb müsse auch hierzulande das Bewusstsein gestärkt werden, dass eine Verflechtung mit der Weltwirtschaft, die auf international anerkannten Regeln und Standards basiert, materielle Vorteile bringe.
Zusatzinformationen
Der Globalisierungsreport 2018 analysiert die Wachstumseffekte der Globalisierung anhand des Bruttoinlandproduktes pro Kopf für den Zeitraum 1990 bis 2016. Der Report wurde von der Prognos AG im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellt. Mithilfe eines sogenannten "Globalisierungsindex", der sich eng an den KOF-Globalisierungsindex der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich anlehnt, wird die Entwicklung der Globalisierung für 42 Industrie- und Schwellenländer gemessen. Der Index enthält neben Indikatoren zur wirtschaftlichen Globalisierung auch Aspekte sozialer Globalisierung (Tourismus, Migration) und politischer Globalisierung (institutionalisierte Verflechtung, Außenbeziehungen etc.). Aus den Daten lässt sich für jedes Land und jedes Jahr ein Indexwert bilden, der im Bereich zwischen 0 und 100 liegt. Dabei gilt: Je höher der Indexwert ist, desto größer ist die Verflechtung dieses Landes mit anderen Staaten. Steigt der Wert des Globalisierungsindex um einen Punkt, nimmt die Wachstumsrate des realen BIP je Einwohner um rund 0,3 Prozentpunkte zu.
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- Global Economic Dynamics (GED)