Der Vorstand der Bertelsmann Stiftung, von links, Dr. Brogitte Mohn, Aart De Geus, Liz Mohn und Dr. Jörg Dräger im Foyer der Stiftung
Jan Voth

Pressemeldung, , : Große Vielfalt an nationalen und internationalen Projekten

Die Bertelsmann Stiftung bündelt ihre Arbeit zukünftig in sechs großen Themenfeldern: Bildung, Demokratie, Gesellschaft, Gesundheit, Kultur und Wirtschaft. Vier globale Megatrends wurden identifiziert, die besonderen Einfluss auf die Stiftungsarbeit haben und zukünftig stärker berücksichtigt werden.

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Diese Phänomene dürfe man nicht nur einzeln betrachten, sondern müsse sie auch in ihrem gegenseitigen Zusammenwirken und in der wechselseitigen Beeinflussung sehen, so De Geus auf der Jahrespressekonferenz am heutigen Dienstag. Für die Wirtschaft in Ostwestfalen-Lippe böten diese Trends durchaus Chancen, aber auch Herausforderungen durch weltweite Konkurrenz. Erkennbar seien schon jetzt die wachsenden Anforderungen an die Qualifikation von Arbeitnehmern, das Verschwinden beziehungsweise Entstehen von völlig neuen Arbeitsplätzen und Arbeitsprozessen.

De Geus sagte, Globalisierung und soziale Ungleichheit verstärkten den Druck auf die Menschen zur Migration. Deutsche Kommunen erleben schon jetzt die Folgen des demographischen Wandels, etwa beim wachsenden Bedarf an Pflegekräften, beim Fachkräftemangel, aber auch in Form wachsender Flüchtlingszahlen in unseren Kommunen.

Reinhard Mohn Preis 2016 zum Thema "Verantwortungsvolles Unternehmertum"

Auch die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Liz Mohn wies auf große, dramatische Veränderungen und weltweite Umbruchphasen hin. "Besonders wichtig sind Werte wie Vertrauen und Menschlichkeit, Offenheit und Toleranz, Verantwortung und Gemeinschaft. Sie halten die Gesellschaften zusammen und schaffen eine Brücke der Verständigung über Sprachen und Grenzen hinweg", betonte Liz Mohn.

Heute hielten die Deutschen besser zusammen als noch zu Beginn der 90er Jahre – wenn auch mit Unterschieden in Ost und West, das zeige eine Studie des letzten Jahres. Am engsten sei der Zusammenhalt in Bundesländern mit höchsten Ausländeranteilen, zum Beispiel auch in Nordrhein-Westfalen.

Die nach wie vor enorm hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa muss laut Liz Mohn entschieden angegangen werden. Ohne Perspektiven auf Ausbildung und Beruf drohe eine ganze Generation verloren zu gehen. Deshalb habe die Fundación Bertelsmann in Barcelona im vergangenen Jahr ein Projekt zur Berufsbildung und Beschäftigung von Jugendlichen begonnen. Ziel sei die Stärkung der dualen Ausbildung in Spanien. König Felipe werde die Initiative ebenfalls über seine Stiftung unterstützen.

Den Reinhard Mohn Preis 2016 werde die Stiftung zu dem Thema „Verantwortungsvolles Unternehmertum“ vergeben. Man suche eine Unternehmerpersönlichkeit, die nachhaltig erfolgreiches und gesellschaftlich verantwortliches Unternehmertum lebt und Vorbildcharakter für Deutschland besitzt.

Galoppierende Sozialausgaben sorgen für klamme Kommunen

Brigitte Mohn sprach über die Finanzkrise der Gemeinden sowie neue Geldquellen und intelligentere Zukunftsinvestitionen zur Finanzierung sozialer Projekte.

Es müsse zu einer Entlastung der Kommunen bei den galoppierenden Sozialausgaben kommen, appellierte Mohn. Diese seien seit 2002 bundesweit um mehr als 60 Prozent gestiegen. Im Jahr 2014 hätten die Kommunen 78 Millarden Euro und damit 40 Prozent ihrer gesamten Ausgaben für Soziallasten aufgewandt. Hinzu komme, dass hohe Sozialausgaben und geringe Steuereinnahmen sich massiv in Regionen mit schwacher Wirtschaftsstruktur ballten. Das schaffe gesellschaftliche Problemlagen und sei ein Teufelskreis für schwache Kommunen.

Brigitte Mohn: "Durch die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ergeben sich jetzt große Chancen einer Lösung." Die Stiftung werde dazu in Kürze einen Handlungsvorschlag für eine strukturelle, dauerhafte und zielgerichtete Hilfe des Bundes vorlegen.

Mit ihrem Projekt "Social Investment – Wirkungsorientierte Finanzierung für gesellschaftliche Herausforderungen" untersuche die Stiftung, wie der gezielte Einsatz von Privatkapital im Sozialsektor die Handlungsfähigkeit sozialer Organisationen stärken und zugleich öffentliche Kassen entlasten könne. Dies solle den sozialen Sektor in dreifacher Hinsicht stärken: Stärkere Konzentration auf soziale Wirkung und ihre Messbarkeit, mehr Geld für Vorbeugung sowie andere Formen der Partnerschaft zwischen Staat, Investoren und sozialen Organisationen. "Dabei tragen die Investoren das finanzielle Risiko – der Staat zahlt nur, wenn die erwünschte Wirkung auch tatsächlich eintritt", erläuterte Mohn.

Forderung nach verständlichem Einwanderungsgesetz

Stiftungsvorstand Jörg Dräger griff das Thema Migration auf, das in diesem Jahr Gegenstand der höchsten Auszeichnung der Stiftung, dem Reinhard-Mohn-Preis, ist. Das Thema lautet "A Fair Deal on Talent – Wie gestalten wir Migration gerecht?".

In den vergangenen Monaten habe die Stiftung gezeigt, dass Deutschland von Einwanderung profitiere und Zuwanderer mehr an Sozialabgaben und Steuern einzahlten, als sie an Leistungen bezögen. Der Beitrag von Migranten zu den öffentlichen Haushalten würde sogar deutlich steigen, wenn sich ihr Bildungs- und Qualifikationsniveau erhöht. "Das ließe sich durch eine bessere Steuerung der Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten erreichen und durch bessere Aus- und Weiterbildung der hier lebenden Migranten", ist Dräger überzeugt "Hier ist die die Politik in der Pflicht." Er kündigte an, dass sich die Stiftung zukünftig auch vertieft mit der Flüchtlingsfrage beschäftigen und untersuchen werde, wie die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen zu verbessern sei.

Eine weitere Studie zeige, dass sich die Willkommenskultur in Deutschland verbessert. Das sei nicht nur für das Klima im Land gut, sondern auch besonders wichtig, wenn Deutschland für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiv sein wolle, so Dräger. Deutschland brauche bis 2050 pro Jahr netto bis zu 500.000 Einwanderer aus Nicht-EU-Staaten, um das Arbeitskräftepotenzial zu sichern.

Jörg Dräger erneuerte die Forderung nach einem verständlichen Einwanderungsgesetz. Nötig seien Perspektiven für langfristigen Aufenthalt und zügige Einbürgerung. Dazu gehörten Sprachförderung, Integration in den Arbeitsmarkt, gesellschaftliche Gleichstellung und Schutz vor Diskriminierung. Gleichzeitig müsse man einen fairen Interessenausgleich mit den Ländern anstreben, aus denen Fachkräfte kommen.

Im Geschäftsjahr 2014 hat die Bertelsmann Stiftung rund 78 Millionen Euro für ihre gemeinnützigen Projekte ausgegeben (2013: 67 Millionen Euro). Seit ihrem Bestehen hat die Bertelsmann Stiftung damit rund 1,2 Milliarden Euro für gemeinnützige Arbeit zur Verfügung gestellt. Im laufenden Geschäftsjahr steht ein Etat von ca. 70 Millionen Euro zur Verfügung. Die Bertelsmann Stiftung beschäftigte Ende 2014 insgesamt 349 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; davon 110 in Teilzeit.

Zusatzinformationen

 

 

 

Die Bertelsmann Stiftung setzt sich für eine gerechte Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben ein. Sie engagiert sich in den Bereichen Bildung, Demokratie, Gesellschaft, Gesundheit, Kultur und Wirtschaft. Durch ihr Engagement will sie alle Bürgerinnen und Bürger ermutigen, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Die 1977 von Reinhard Mohn gegründete, gemeinnützige Einrichtung hält die Mehrheit der Kapitalanteile der Bertelsmann SE & Co. KGaA. Die Bertelsmann Stiftung arbeitet operativ und ist unabhängig vom Unternehmen sowie parteipolitisch neutral.