Pressemitteilung, , Gütersloh/Brüssel: Ein irisches "Nein" wäre eine europäische Katastrophe

Studie der Bertelsmann Stiftung zur Volksbefragung in Irland sieht kaum Handlungsalterna­tiven, wenn das Referendum scheitert. Europäischer Ratifizierungsmonitor gibt Übersicht zum Stand der Abstimmungen.

  • PDF

Lange Zeit schien dieses Referendum im pro-europäischen Irland eine reine Formsache zu sein. Doch je näher der Abstimmungsprozess rückt, desto unsicherer wird ein klares irisches "Ja". So hätten die Vertragsbefürworter nach den jüngsten Umfragen zwar noch einen kleinen Vorsprung, allerdings sei jeder dritte Wahlberechtigte noch unentschieden. Zwei Drittel der Iren erklären dage­gen, sie wüssten zu wenig über den Vertrag und nur jeder Zehnte fühlt sich gut informiert. Die Bertelsmann Stiftung sieht in dieser Konstellation eine fatale Parallele zur irischen Volksbefragung im Jahr 2001, als die insgesamt pro-europäische Bevölkerung Irlands sich mit Mehrheit unerwartet gegen den Vertrag von Nizza entschied. Am 12. Juni entscheidet Irlands Bevölkerung diesmal als einziges Land in der EU in einem Referendum über die Annahme des Vertrags von Lissabon.

In ihrer Studie analysiert die Bertelsmann Stiftung neben der aktuellen Stimmungslage die langfris­tigen Überzeugungen der Iren, ihr Abstimmungsverhalten in den zurückliegenden Befragungen, die materiellen und politischen Interessen des Landes in der EU, Befürworter und Gegner des Vertragsentwurfs sowie deren Positionen. Besonders sensible Punkte, durch die die Verfassungs­diskussion ihre politische Brisanz erfährt, sind die Frage der irischen Neutralitätspolitik bzw. die Bestimmungen zu der Außen- und Sicherheitspolitik im EU-Verfassungsvertrag. Die Autoren der Studie spielen dabei die unterschiedlichen Szenarien durch, die Irland und der EU bei der Ableh­nung des Reformvertrags drohen könnten. Möglich wären die Wiederholung des Referendums nach einer gewissen Anstandsfrist, ein erneutes Aufschnüren des sorgsam austarierten Vertrags­paketes oder der Rückgriff auf eine Minimalreform als Notlösung. Diskutiert werden auch mögliche Ausnahmeregelungen vom europäischen Gemeinschaftsrecht, die im Falle einer Verweigerung der Zustimmung die Fortsetzung der Diskussion bestimmen könnte. Gerade aber hier sehen die Auto­ren nur noch wenig Spielraum für die europäische Politik. So konnte die irische Führung bereits weit reichende Ausnahmeregelungen für sich aushandeln, so dass es kaum noch weitergehende Forderungen gibt, die verhandelt werden könnten. Dr. Dominik Hierlemann, Projektleiter der Ber­telsmann Stiftung: "Das alles sind keine berauschenden Optionen. Deshalb setzen die Europäi­sche Union und die irische Regierung alles auf eine Karte. Ein 'Nein' im irischen Referendum wäre deshalb schlicht eine Katastrophe für Europa."

Als Ergänzung zur Studie, die in der Reihe "Spotlight Europe" erschienen ist, steht aktuell ein webbasiertes Tool zum Stand der Ratifizierung des "Vertrags von Lissabon" in den verschiedenen Mitgliedstaaten zur Verfügung (siehe in der Spalte rechts neben diesem Text). Staaten, für die sich der Betrachter besonders interessiert, rücken mit einem Klick in den Fokus der Anwendung. Bei Bedarf kann der Nutzer seine eigenen Wissensgrundlagen aktualisieren und sich individuelle Fragen beantworten lassen.

Der vollständige Newsletter "spotlight europe" kann in der Spalt rechts neben diesem Text herunter geladen werden.