Pressemitteilung, , Gütersloh: Bevölkerung befürwortet Reformen im Bildungssystem

Umbau des dreigliedrigen Schulsystems - Ausbau der Ganztagsschulen - Bessere Integration

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Fast die Hälfte der Deutschen hält das aktuelle Bildungssystem für ungerecht (45 Prozent der Befragten insgesamt; 48 Prozent der Eltern). In Ostdeutschland sagen sogar 60 Prozent der Befragten, dass sie das Bildungssystem für nicht gerecht halten. Besonders skeptisch äußern sich die Menschen in Deutschland zur Chancengleichheit: Drei Viertel der Bevölkerung und sogar 86 Prozent der Eltern sind der Ansicht, dass Jugendliche aus allen Schichten beziehungsweise aus allen Kulturkreisen nicht die gleichen beruflichen Chancen haben.

Das Bildungssystem muss nach Einschätzung der Mehrheit der Befragten integrativer werden, um allen Kindern und Jugendlichen in Deutschland unabhängig von ihrer Herkunft faire Chancen zu eröffnen. Reformbedarf sieht die Bevölkerung nach den Ergebnissen der repräsentativen Umfrage im Einzelnen in folgenden Feldern:

Mehrheit für Reform des gegliederten Schulsystems
Die Mehrheit der Befragten und fast 60 Prozent der Eltern meinen, dass alle Kinder eher faire Chancen hätten, wenn sie möglichst lange gemeinsam unterrichtet würden. Hierbei zeigen sich kaum Unterschiede zwischen den Eltern der verschiedenen weiterführenden Schulformen. Die Befragten sind mehrheitlich für eine spätere Aufteilung der Kinder auf unterschiedliche Schulformen, das heißt nach Klasse 6 oder nach Klasse 9. Weniger als ein Drittel der Befragten – in Ostdeutschland sogar nur jeder Fünfte – hält die jetzige Aufteilung nach Klasse 4 für gut.

Drei Viertel für den Ausbau der Ganztagsschule
Drei Viertel der Bevölkerung (78 Prozent) und der Eltern (75 Prozent) plädieren dafür, dass das System der Ganztagsschulen ausgebaut werden soll. Von den Eltern der Gesamtschüler sind sogar 85 Prozent der Meinung, dass es mehr Ganztagsschulen geben soll, wie es die Gesamtschulen in der Regel bereits schon sind.

Drei Viertel für Bevorzugung von belasteten Schulen bei Mittelverteilung
Die Ressourcen im Bildungsbereich sollten nach der Mehrheit der Bevölkerung dort eingesetzt werden, wo sie besonders benötigt werden. Jeweils drei von vier Befragten (74 Prozent) meinen, die Schulen in benachteiligten Stadtvierteln sollten gegenüber anderen Schulen besser ausgestattet werden. Auch hier sind die Unterschiede bei den Eltern der verschiedenen Schulformen nur geringfügig.

Umfassende Mehrheit für bessere individuelle Förderung und Toleranzerziehung
Fast 90 Prozent der Befragten plädieren für eine stärkere individuelle Förderung der Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen. 62 Prozent der Befragten und 67 Prozent der Eltern sind dafür, dass Schüler aus ausländischen Kulturkreisen verstärkt individuell gefördert werden. Das Engagement der Schulen für die Erziehung zu mehr Offenheit und Toleranz sollte nach Ansicht von drei Vierteln aller Befragten verstärkt werden (76 Prozent).

Die Befragten zeigen sich nicht nur reformfreudig, sie sind auch bereit, sich selbst für faire Bildungschancen zu engagieren: Zwei Drittel der Bevölkerung (66 Prozent) und 71 Prozent der Eltern würden gern Kindern und Jugendlichen ausländischer Herkunft bei der Integration helfen, etwa durch Unterstützung bei den Hausaufgaben.

"Unsere Umfrage macht deutlich, dass die Bevölkerung mehrheitlich ein integrativeres Bildungssystem wünscht. Aus unserer Sicht besonders erfreulich ist die Tatsache, dass die meisten Menschen in Deutschland bereit sind, sich selbst für Kinder und Jugendliche aus Zuwandererfamilien zu engagieren", sagte Dr. Johannes Meier, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung. "Unser Bildungssystem muss bessere Antworten auf die Herausforderungen der Migration und der demographischen Entwicklung geben. Der ausgeprägte Reformwille der Bevölkerung ist eine Chance für den zügigen Umbau unseres Bildungssystems. Die Ressourcen für Bildung sollten verstärkt in den sogenannten Problem-Stadtteilen eingesetzt werden, was, laut unserer Untersuchung, auch drei Viertel der Deutschen unterstützen würden", unterstrich Vorstandskollege Dr. Jörg Dräger bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse.

Bei der repräsentativen Bevölkerungsumfrage, die das Emnid-Institut im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt hat, wurden 1.519 Personen über 14 Jahren in Privathaushalten befragt.