Interviewsituation zwischen zwei Frauen

Ukrainische Pädagog:innen wollen auch in Deutschland in ihrem Beruf arbeiten – und brauchen hierfür Unterstützung

In Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind bis August 2022 fast eine Million Menschen nach Deutschland geflohen. Neben vielen Kindern und Jugendlichen, die an verschiedenen Etappen der Bildungskette integriert werden, ist eine weitere Personengruppe für das deutsche Bildungssystem von Bedeutung: geflüchtete ukrainische Pädagog:innen, die weiterhin in ihrem erlernten Beruf arbeiten möchten. Wie gestaltet sich ihre Lebenssituation, wie verläuft ihr Weg an deutsche Schulen und welche Unterstützungsbedarfe haben sie? In Fokusgruppengesprächen in unserem Auftrag haben ukrainische Pädagog:innen Antworten auf diese Fragen gegeben. 

Ansprechpartner:in

Foto Martin Pfafferott
Dr. Martin Pfafferott
Senior Project Manager
Foto Angela Müncher
Angela Müncher
Senior Project Manager

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Eine zentrale Erkenntnis aus den Gesprächen ist, dass die befragten ukrainischen Pädagog:innen den starken Wunsch äußern, in Deutschland in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten. Sollte dies jedoch in absehbarer Zeit nicht möglich sein, wären sie auch bereit, in Berufen zu arbeiten, für die sie nicht ausgebildet sind und die sie ungelernt ausüben könnten.

Vor dem Einsatz an Schulen: Formelle, sprachliche und alltagsbezogene Hürden

Bevor die Pädagog:innen an deutschen Schulen beschäftigt werden können, müssen sie verschiedene Hürden überwinden. Den Befragten fällt es oft schwer, strukturierte, klare und verlässliche Informationen zu finden. Stattdessen stoßen sie vor allem über Social-Media-Kanäle auf unterschiedliche und oft widersprüchliche Angaben, die sie nur schwer einordnen können.  

Befragte, die noch nicht in der Schule tätig sind, nehmen viele Hindernisse wahr. Diese reichen von der notwendigen Verbesserung der eigenen Sprachkenntnisse über finanzielle Aspekte, zum Beispiel bei der Finanzierung der Übersetzung ihrer Abschlüsse, bis hin zur Betreuung ihrer Kinder. 

Unterstützungsbedarfe in Schulen: Schulsystem und -kultur, Didaktik, Methodik und Kompetenzorientierung 

Die Befragten, die bereits an einer Schule beschäftigt sind, haben ihre Arbeit mit Unterstützung privater Kontakte aufgenommen. Entweder erhielten sie den Zugang zur Arbeitsstelle über persönliche Kontakte oder aber benötigten spätestens bei dem formalen Prozedere der Anstellung Hilfe von Dritten. Im Hinblick auf ihre Arbeit in der Schule äußern sie Unterstützungsbedarfe bei den Themen deutsches Schulsystem und (Schul-)Kultur sowie Didaktik/Methodik und Kompetenzorientierung. 

Die Projektverantwortlichen Angela Müncher und Martin Pfafferott bilanzieren: “Die Fokusgruppen stellen einen kleinen, aber relevanten Ausschnitt der Wirklichkeit und Lebenssituation ukrainischer Pädagog:innen in Deutschland dar. Er zeigt den starken Wunsch der Befragten, auch in Deutschland zu arbeiten. Wie andere internationale Lehrkräfte benötigen die Befragten auf dem Weg dahin Perspektiven und gezielte Unterstützung."

Die Befunde der Studie sind somit auch als Anstoß zu verstehen, das große Potenzial zu nutzen, das internationale Lehrkräfte in Deutschland einbringen können.

Angela Müncher, Senior Project Manager und Martin Pfafferott, Project Manager der Bertelsmann Stiftung

Einblick in die Methodik

Im Juni 2022 wurden drei Fokusgruppengespräche mit 14 ukrainischen Pädagog:innen geführt, von denen zwölf bereits nach Deutschland geflohen sind. Die Gruppengespräche fanden auf Ukrainisch und Deutsch statt und wurden online durchgeführt. Fokusgruppengespräche sind eine Form der qualitativen, explorativen Forschung. Sie ermöglichen es, Forschungsfragen im direkten und tiefgehenden Austausch mit den befragten Personen zu erörtern.