Länderbericht Schleswig-Holstein

Fazit

Angesichts der im Ländervergleich schwierigeren Rahmenbedingungen für die Berufsausbildung – ungünstige Siedlungs‑, Wirtschafts‑ und Betriebsgrößenstruktur – hat sich in Schleswig-Holstein in den letzten Jahren in der Berufsausbildung viel bewegt. Der starke Ausbau des Schulberufssystems um fast 50 % der Neuzugänge seit 2007 bzw. 14 % zwischen 2013 und 2015 ist hier ebenso zu nennen wie die Rückläufigkeit der Neuzugänge zum Übergangssektor im jüngsten Betrachtungszeitraum um 11 %, die in erster Linie auf die Halbierung der Zugänge zur Berufsfachschule, die keinen beruflichen Abschluss vermittelt, zurückzuführen ist. Da Letztere nach Aussagen von Berufsschul‑ und Arbeitsmarktexperten im Wesentlichen durch die Einführung der Gemeinschaftsschulen bedingt ist mit deren Bestreben, den mittleren Abschluss verstärkt selbst zu vermitteln, greift hier die Bildungsreform unmittelbar in die Berufsbildung ein. Damit eröffnet sich für die Landespolitik die Chance, den Übergangssektor durch Zurückfahren der Berufsfachschulangebote in Zukunft weiter substanziell zu reduzieren.

Angesichts der Tatsache, dass Schleswig-Holstein (von Baden-Württemberg abgesehen, für das Sonderbedingungen gelten) mit 31 % Neuzugängen zum Übergangssektor nach Niedersachsen (34 %) immer noch die ungünstigste Übergangsbilanz aller Bundesländer aufweist, trifft auch die hohe Priorität, die die Landesregierung der verbesserten Steuerung des Übergangssektors bei ihren politischen Aktivitäten 2016 eingeräumt hat – neue Struktur berufsschulischer Ausbildungsvorbereitung (AV-SH), Entwicklung von Jugendberufsagenturen, Planung eines schleswig-holsteinischen Instituts für Berufsausbildung, in dem alle berufsbildungspolitischen Zuständigkeiten des Landes gebündelt werden –, den neuralgischen Punkt der Ausbildungsprobleme in Schleswig-Holstein.

Wie weit mit den Reformen im Übergangssektor, sofern sie von der neuen Landesregierung fortgesetzt werden, die strukturbedingten Defizite im Ausbildungsplatzangebot, das auch 2016 noch immer landesweit und ohne große regionale Differenzen 12 % unter der Nachfrage liegt, behoben werden können, muss offenbleiben. Eine Besserung erscheint aber als zweifelhaft, wenn selbst eine Ausweitung des Schulberufssystems um 50 % seit 2007 an der ungünstigen ANR im dualen System nichts hat verändern können. Offensichtlich sind hier Grenzen der Landesberufsbildungspolitik erreicht, die nur durch eine Verbesserung der Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur und/oder eine nachhaltige Förderung betrieblicher und überbetrieblicher Ausbildung zu überwinden sind. Letztere Perspektive lässt sich nicht zuletzt damit begründen, dass – gemessen an den Leistungsindikatoren der Ausbildungs- und der Ausbildungsbetriebsquote der Betriebe in Schleswig-Holstein noch größer ist als im Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer.

 

Autoren: Prof. Dr. Martin Baethge, Dr. Maria Richter (Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen, SOFI); Prof. Dr. Susan Seeber, Dr. Meike Baas, Dr. Christian Michaelis, Robin Busse (Universität Göttingen).