Jeder achte Deutsche ab 25 nimmt mindestens einmal im Jahr eine Weiterbildung in Anspruch – zum Beispiel einen Sprachkurs oder einen beruflichen Lehrgang. Doch die Teilnahme an Weiterbildungen ist zwischen und in den Bundesländern äußerst ungleich verteilt. Das zeigt unser Deutscher Weiterbildungsatlas 2016, für den wir in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) die aktuellsten Mikrozensus-Daten der Jahre 2012 und 2013 auswerteten und erstmals auch die Weiterbildungsquoten in Kreisen und kreisfreien Städten erfassten.
Beim Thema Weiterbildung gleicht Deutschland einem Flickenteppich
Vorankommen im Beruf, ein besseres Verständnis von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft gewinnen oder Tipps für Freizeit und Privatleben erhalten – Lebenslanges Lernen kann viel bewirken. Doch unsere neue Studie zeigt: Einige Teile Deutschlands sind beim Thema Weiterbildung top, andere hingegen weit abgehängt.
Baden-Württemberg und Hessen bei Weiterbildung Spitze
Ein Vergleich der Weiterbildungsquoten in den Bundesländern offenbart eine große Lücke: So besucht beispielsweise im brandenburgischen Prignitz nur jeder 34. Einwohner jährlich eine Weiterbildung – im hessischen Darmstadt dagegen fast jeder vierte. Baden-Württemberg und Hessen weisen mit 14,8 und 14,6 Prozent die höchsten Weiterbildungsquoten auf. Schlusslichter sind Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland mit 10,4 Prozent.
Weiterbildungsquoten driften in den Bundesländern teils erheblich auseinander
Unser Weiterbildungsatlas zeigt außerdem: Nicht nur zwischen, sondern auch in den einzelnen Bundesländern driften die Weiterbildungsquoten teils erheblich auseinander. Das Extrembeispiel ist Bayern: Trotz eines überdurchschnittlichen Landeswertes finden sich hier Kreise mit sehr niedrigen Quoten. In acht bayrischen Kreisen und kreisfreien Städten nimmt nicht einmal jeder zwanzigste Einwohner an Weiterbildungen teil.
Die Unterschiede bei den Weiterbildungsquoten lassen sich zum einen durch die regionale Sozial- und Wirtschaftsstruktur erklären. So führen zum Beispiel strukturelle Vorteile, wie eine hohe Qualifikation der Bevölkerung und eine gute wirtschaftliche Lage, häufig dazu, dass sich mehr Menschen weiterbilden. Zum anderen und vorwiegend ergeben sich die Unterschiede allerdings durch Aspekte, die zum Teil beeinflussbar sind – wie die Qualität der Weiterbildungsangebote.
Wie gut Regionen vorhandene Strukturen für Weiterbildung nutzen, erfasst die sogenannte Potenzialausschöpfung. Entspricht die Weiterbildungsquote vor Ort der Quote, die aufgrund regionaler Strukturdaten zu erwarten ist, so beträgt die Potenzialausschöpfung 100 Prozent.
Vorhandene Strukturen für Weiterbildung werden oft nur unzureichend genutzt
Im Ländervergleich nutzt Berlin seine vorhandenen Strukturen am schlechtesten für die Weiterbildung (rund 80 Prozent Potenzialausschöpfung). Hier könnte es nach der Sozialstruktur 20 Prozent mehr Weiterbildungsteilnehmer geben. Auch Hamburg und Nordrhein-Westfalen schöpfen ihr Potenzial mit rund 85 und 90 Prozent nicht voll aus. Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz dagegen liegen mit rund 116, 114 und 110 Prozent über den zu erwartenden Werten. Deutlich positiv verändert hat sich die Lage in Sachsen: 2012 blieb die Quote gut 11 Prozent hinter den Erwartungen zurück, 2013 lag sie mit rund 103 Prozent darüber.
Ein Vergleich der Kreise und kreisfreien Städte wiederum zeigt die Landkreise Elbe-Elster/Brandenburg, Neumarkt/Bayern und Wunsiedel/Bayern als Spitzenreiter (rund 202, 178 und 172 Prozent Potenzialausschöpfung). In den bayrischen Landkreisen Fürstenfeldbruck und Roth bleiben mit 22,4 und 33 Prozent am meisten Potenziale ungenutzt.
Regionale Strukturmerkmale erklärten längst nicht alle Unterschiede bei der Weiterbildungsteilnahme, betont Prof. Josef Schrader, Wissenschaftlicher Direktor des DIE. Der Weiterbildungsatlas zeige, wie wichtig ein auf den lokalen Bedarf zugeschnittenes Weiterbildungsangebot sei. Kooperationen zwischen kommunalen Akteuren könnten helfen, ein solches Angebot zu schaffen und bei wirtschaftlichen oder demografischen Veränderungen sinnvoll anzupassen, so Schrader.
Daten und Grafiken zu allen 16 Bundesländern finden Sie in der Studie und unter kreise.deutscher-weiterbildungsatlas.de