Zwei Frauen stehen sich gegenüber und unterhalten sich fröhlich
Symbolbild – © Veit Mette

Bildungsregion Gelsenkirchen: Synergieeffekte, die ausstrahlen

Ein Interview von Inge Michels und Angela Müncher.

Ein Gespräch über Unterrichtsentwicklung und Fortbildungsplanung mit Heike Sulimma (Schulaufsichtsbeamtin für Grundschulen und Leiterin des Kompetenzteams Kooperationsmodell Plus für Bottrop und Gelsenkirchen), Dorothee Gühlstorf (Co- Leiterin im Kompetenzteam) und Gerd Dombrowski vom kommunalen Bildungsbüro für die Stadt Gelsenkirchen.

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Das Thema Unterrichtsentwicklung hat in den letzten zehn Jahren insgesamt an Bedeutung gewonnen. Was nehmen Sie wahr: Was hat sich konkret verändert und wie gehen die Schulen damit um?

Gerd Dombrowski: Ich habe den Eindruck, dass ein großer Entwicklungsschritt dahingehend gemacht ist, dass man nicht mehr die Tür zum eigenen Unterricht zumacht, sondern eher aufmacht. Bei allen Vorbehalten, die man auch haben kann, ist die Bereitschaft, sich in seine Karten gucken zu lassen, und die Bereitschaft, im Team mit anderen zusammenzuarbeiten bis hin zur gemeinsamen Vorbereitung von Unterrichtsreihen und Klassenarbeiten, gewachsen. Ich denke, dass dieser generelle Schritt zu mehr Kooperation und Offenheit durch Fortbildungen und andere Maßnahmen vorangetrieben worden ist und dass dadurch etwas Gutes entstanden ist. Die neue Lehrergeneration, die in den Schulen heranwächst, ist da sehr engagiert und sehr offen.

Heike Sulimma: Es sind aber auch von außen Veränderungen in die Schulen gekommen. In den Grundschulen zum Beispiel sind allein dadurch Teamstrukturen aufgebaut worden, weil das gemeinsame Lernen dies nahelegt. Da gibt es zum Beispiel die Profession des Sonderpädagogen und zunehmend die des Integrationshelfers, die eingebunden werden. Hinzu kommt, dass inzwischen die meisten Grundschulen offene Ganztagsschulen sind und dadurch neue Akteure und Kooperationspartner mit ins Boot genommen werden. Ich denke auch an die Kooperation mit den Lehrkräften, die die zusätzliche Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Fluchtgeschichte übernehmen. Dafür braucht man Absprachen, Teamstrukturen, Gesprächsstrukturen etc. Diese Strukturen sind wichtig und werden sich etablieren. Und wenn man das mit Fortbildungen wie Vielfalt fördern unterfüttern kann, ist das eine Unterstützung für die Schulen.

Sind die weiterführenden Schulen in dieser Beziehung auch so weit wie die Grundschulen?

Dorothee Gühlstorf: Ich bin mit halber Stelle Co-Leitung und unterrichte mit der anderen Hälfte meiner Stelle an einer Gesamtschule in Castrop-Rauxel. Ich kenne das gar nicht anders, als im Team zu arbeiten. Das hat mit Fachteams, mit Jahrgangsteams, mit Klassenlehrerteams zu tun. Wir sind in vielen Teams verortet. Wichtig sind dafür auch äußere Bedingungen, damit Teams funktionieren und optimiert werden können.

Was hat sich aus Ihrer Sicht in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

Dorothee Gühlstorf: Ich sehe im Hinblick auf Fortbildung die Erkenntnis in Schulen, dass es für bestimmte Fortbildungsbereiche Sinn macht, nicht singuläre Fortbildungsinhalte abzufragen, sondern Fortbildung als einen Baustein in der Unterrichts- und Schulentwicklung einzuplanen. Und Entwicklung bedeutet ja immer Prozess. Wenn also Fortbildung an einer Schule stattfindet, die prozesshaften Charakter hat und zum einen natürlich die Kollegen mitnimmt, zum anderen auf ein verabredetes Ziel zusteuert, dann geht das nicht ohne sinnvolle Fortbildungsplanung. Und dafür müssen bestimmte Schritte gemacht werden. Früher hat eine Schule vielleicht "Schriftliche Klassenarbeiten in der Grundschule" als Fortbildung nachgefragt. Den Wunsch würden wir als Kompetenzteam nicht mehr einfach so bedienen. Wir würden fragen: Was steht dahinter? Wo sind die Anknüpfungspunkte für Unterrichts- und Schulentwicklung? Die meisten Schulen haben heute erkannt, dass Unterrichtsentwicklung auch einer Fortbildungsplanung bedarf. Das ist ein wichtiger Schritt.

Heike Sulimma: Fortbildungsplanung ist sinnvoll, keine Frage. Aber auch einzelne Elemente für wenige Kollegen können wertvoll sein. Zum Beispiel: Wie gestalte ich den Anfangsunterricht? Was biete ich speziell für die Kolleginnen oder Kollegen an, die ein erstes Schuljahr übernehmen? Wenn das im Team abgesprochen und der Bedarf erkannt ist, dann macht auch Fortbildung für einzelne Kolleginnen oder Kollegen durchaus Sinn.

Gerd Dombrowski: Und das Schöne ist: Es gibt dann sogar Synergieeffekte über die einzelnen Schulen hinaus! Ich denke gerade an den Stadtteil Horst in Gelsenkirchen, wo die drei Grundschulen mit der einzigen weiterführenden Schule, der Gesamtschule, mittlerweile so miteinander verheiratet sind, dass sie gegenseitige Unterrichtshospitation über alle vier Schulen hinweg machen. Die Kolleginnen und Kollegen der Gesamtschule fragen zum Beispiel: "Mensch, sagt doch mal: Was funktioniert denn bei euch in der Grundschule super gut und was können wir davon übernehmen?" Ich höre auch: "Ach ja, jetzt weiß ich, warum das bei uns nicht klappt." Oder: "Das ist ja so bei euch nie im Schulalltag verankert worden. Also zeigt uns doch mal, was ihr stattdessen macht", und umgekehrt genauso. Die Kolleginnen der Grundschulen gehen auch in die fünften und sechsten Jahrgänge der weiterführenden Schule und schauen, wie die Kinder dort angekommen sind. Auch die Gesamtschule Erle, die bei Vielfalt fördern mitmacht, arbeitet wunderbar mit der Nachbargrundschule zusammen. Die machen mittlerweile sogar kleine Projekte zusammen und andere Dinge. Insgesamt ist unwahrscheinlich viel angestoßen worden, was sich im Guten multipliziert.