Digitale Medien haben Potenzial für individuelle Förderung

Um sich über die Chancen und Risiken des Lernens mit digitalen Medien in der Schule auszutauschen, hat die Bertelsmann Stiftung - in Zusammenarbeit mit der Kooperative Berlin - Schulen, Schulträger und Ländervertreter nach Berlin eingeladen. Im Rahmen des „Lernlab Schule: Lernen mit digitalen Medien“ haben die Teilnehmer auf Grundlage von drei bislang unveröffentlichten Studien sowie Beispielen aus der Schulpraxis über den pädagogisch sinnvollen Einsatz digitaler Medien in Schule und Unterricht diskutiert und gemeinsam Lösungsansätze entwickelt .

LernLab Schule am 06. November an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum (ESBZ)

Tablets, interaktive Whiteboards, Mobile Learning, digitale Bildung – dies sind nur einige von vielen  Schlagwörtern und Ausdruck neuer Herausforderungen für die Schulen in Deutschland: Wie können die  Heranwachsenden zu einem selbstbestimmten und kritischen, aber auch zu einem produktiven und  kreativen Umgang mit digitalen Medien befähigt werden? Wie können sie im Sinne einer umfassenden Medienbildung mit und über Medien lernen? Welches Potenzial bieten digitale Medien für individuelle Förderung? Um diese Fragen mit den Akteuren im Bildungssystem zu diskutieren , hat die Bertelsmann Stiftung am 6. November 2015 Schulen, Schulträger und Ländervertreter zum LernLab nach Berlin eingeladen. Rund 100 Repräsentanten dieser drei Ebenen sind der Einladung gefolgt.

Chancen und Risiken digitaler Medien

Nach der Eröffnung der Veranstaltung durch Caroline Treier (ESBZ), Dr. Nikolai Neufert (Senatsverwaltung Berlin) und Ulrich Kober (Bertelsmann Stiftung) sind in der ersten LernLab Session die Ergebnisse von drei bislang unveröffentlichten Studien vorgestellt worden. Heike Schaumburg beschreibt in ihrer Studie den aktuellen Forschungsstand zu den Chancen und Risiken digitaler Medien in der Schule: Welche individuellen Wirkungen digitaler Medien gibt es auf Schülerebene und welche Effekte lassen sich auf der Unterrichtsebene beobachten? Wie können Schulen das Potenzial digitaler Medien für das Lernen und Lehren nutzen?

 Digitale Medien bieten laut Schaumburg Chancen für den Einzelnen – beispielsweise erweiterte Möglichkeiten des Zugriffs auf Information, der Kommunikation und Partizipation. Aber sie bergen auch Risiken wie etwa Internet- und Computerspielesucht oder Cybermobbing. Des Weiteren bestehe die Gefahr, dass ungleiche Zugangsmöglichkeiten und Nutzungsweisen digitaler Medien gesellschaftliche Ungleichheit noch weiter vergrößern.

 „Um die Chancen digitaler Medien für sich nutzen und den Risiken angemessen begegnen zu können, ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien erwerben“, so Schaumburg. Zudem könne das pädagogische Potenzial digitaler Medien für das schulische Lehren und Lernen nutzbar gemacht werden: Sie böten zum Beispiel Möglichkeiten für die Individualisierung des Lernens und für Binnendifferenzierung.

Individuelle Förderung mit digitalen Medien

Die Studie von Richard Heinen und Michael Kerres widmet sich dem Zusammenspiel von individueller Förderung, Digitalisierung und Schulentwicklung, wobei die Autoren die These vertreten, dass individuelle Förderung wesentlich vom richtigen Einsatz digitaler Medien profitieren kann. Damit dies funktionieren kann, sind die technische Ausstattung, die Lernkonzepte sowie die Kompetenzen der Lehrenden entscheidend. Werden diese drei Faktoren beachtet, kann in einem mehrstufigen Prozess schulisches Lernen grundlegend verändert werden.

Ebenso berücksichtigt die Studie Überlegungen zur Schulentwicklung und zur stufenweisen Integration digitaler Medien: Schulentwicklung muss dementsprechend neben ihren traditionellen Säulen (Organisations-, Personal- und Unterrichtsentwicklung) um die Aspekte der Technologieentwicklung erweitert werden. Aus diesen Überlegungen wird ein Kriterienraster entwickelt, das Schulen Anhaltspunkte gibt, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um digitale Medien in Schulen systematisch einzuführen.

Szenarien lernförderlicher IT-Infrastrukturen

Die Studie von Andreas Breiter, Björn Eric Stolpmann und Anja Zeising untersucht die technischen und organisatorischen Bedingungen für die Bereitstellung und den Betrieb einer lernförderlichen, alltagstauglichen IT-Infrastruktur in Schulen. Es werden Szenarien zur Beschreibung lernförderlicher IT-Infrastrukturen entwickelt sowie die einmaligen und laufenden Kostenfaktoren für zentrale Komponenten wie Netz, Basisausstattung, Lizenzen oder Dienste und die dazugehörigen Prozesskosten bestimmt.

Im ersten Szenario wird eine Schüler-Computer-Relation von 5:1 umgesetzt. Im zweiten Szenario verfügen alle Schülerinnen und Schüler über ein individuelles Endgerät. Die jährlichen Kosten für das 1:1 Szenario bewegen sind zwischen 322,96 und 464,83 Euro pro Schüler. Für eine Beispielschule mit 750 Schülern entstehen Kosten in Höhe von 242.220 bis 349.087 Euro. Hochgerechnet auf ganz Deutschland entstehen für dieses Szenario Kosten in Höhe von 1,82 Mrd. bis 2,62 Mrd. Euro.

Diskutiert wurde auch, welche Vorteile es hat, wenn die Schüler ihre eigenen Geräte mit in die Schule bringen (BOYD). Pädagogisch kann das sinnvoll sein, signifikante Kosteneinsparungen sind nach Einschätzung von Prof. Breiter allerdings nicht zu erwarten – außerdem ist der flächendeckende Einsatz privater Endgeräte voraussetzungsreich, da zunächst die Fragen chancengerechter Finanzierung, Standardisierung und Sicherheit zufriedenstellend geklärt werden müssten.

Beispiele aus der Schulpraxis

In den sechs LernLab-Sessions am Nachmittag haben Lehrkräfte und Schulleitungen Praxisbeispiele aus verschiedenen Schulfächern, Schultypen, Bundesländern und Altersstufen vorgestellt. Die Beispiele zeigen konkret und anschaulich, wie schon heute digitale Medien in den Schulalltag integriert werden können, um bspw. individuelle Förderung zu stärken:

  • Felix Schaumburg, Gesamtschule Uellendahl-Katernberg (Wuppertal)
  • Monika Heusinger, Otto Hahn Gymnasium (Saarbrücken)
  • Heinz Dieter Hirth, Oskar von Miller Schule (Kassel)
  • Projekt „Flip your class!“, Evangelische Schule Berlin Zentrum, Gebrüder-Montgolfier-Gymnasium, Herman-Nohl-Schule
  • Markus Bölling, Realschule am Europakanal (Erlangen)
  • Achim Lebert, Gymnasium Ottobrunn

 

Was sind die nächsten Schritte?

Bei der Fishbowl am Ende des LernLabs Schule sind die unterschiedlichen Akteure gefragt worden, was nun aus ihrer Sicht – und mit Kenntnis der Studien und der Schulbeispiele – als nächstes zu tun ist: Wie kommen wir weiter, wenn Kinder und Jugendliche Medienkompetenz erwerben sollen und digitale Medien für das Lernen / für individuelle Förderung nutzbar gemacht werden sollen? Was sind die nächsten ganz konkreten Schritte – aus Sicht der Schulen, aus Sicht der kommunalen Schulträger und aus Sicht der Ländervertreter? Nachstehend einige der genannten Kernpunkte:

  • Basisinfrastruktur wichtiger als Endgeräte
  • Kommunale Breitbandkonzepte benötigt
  • Administration und Support auslagern
  • Beirat auf kommunaler / regionaler Ebene
  • Datenschutz und Datensicherheit als Hürden
  • Medieneinsatz im Unterricht: Mut zum Ausprobieren
  • Schulinterne Lehrerfortbildung und Austausch im Kollegium
  • Weg von den Leuchttürmen, hin zu den Bojen...

Eine umfangreichere Dokumentation  des LernLabs Schule (u.a. mit den Präsentationen der Wissenschaftler und der sechs Praxisworkshops) finden Sie auf
http://www.vielfalt-lernen.de

Über den nachfolgenden Link ("Storify") gelangen Sie direkt zu twitter-Kommentaren von Teilnehmern der Veranstaltung: https://storify.com/kooperative/lernlab-bst