Mehrere jungen Menschen mit einem Handy in der Hand, die umherlaufen

Algorithmen im Wahlkampf: Studie der Universität Potsdam und der Bertelsmann Stiftung zeigt eine unausgewogene Sichtbarkeit von Parteien in Social-Media-Feeds junger Menschen

Nie zuvor konnten Politiker:innen so unmittelbar in den Alltag von Wähler:innen vordringen. Doch was insbesondere junge Menschen auf den Sozialen Medien über Politik in ihren Feeds sehen, entscheiden Plattform-Algorithmen. Die Studie „Digitalisiert, politisiert, polarisiert?“ zeigt: Empfehlungsalgorithmen spielen Videos von Parteien an den politischen Rändern häufiger aus, während Beiträge der politischen Mitte seltener in den Feeds erscheinen. Selbst wenn Parteien der Mitte im Vergleich häufiger posten, sind sie in den Feeds weniger präsent. Um die Integrität zukünftiger Wahlen zu gewährleisten, braucht es einen gesellschaftlichen und politischen Diskurs über die Rolle von Social-Media-Plattformen in Zeiten digitaler Wahlkämpfe.

 

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Amber Jensen
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Kira Schrödel
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Soziale Medien sind für junge Menschen zur wichtigsten Informationsquelle über Politik geworden – doch was sie dort sehen, unterliegt keinem Zufall. Die aktuelle Studie „Digitalisiert, politisiert, polarisiert? – Eine Analyse von Social-Media-Feeds junger Menschen zur Bundestagswahl 2025 auf TikTok, YouTube, Instagram und X “ der Universität Potsdam in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung zeigt: Empfehlungsalgorithmen auf TikTok, X, Instagram und YouTube spielen Inhalte der Parteien an den politischen Rändern deutlich häufiger in die Feeds junger Nutzer:innen als Inhalte der Parteien der Mitte.

Ein Verlust an Sichtbarkeit

Vergleicht man die Anzahl hochgeladener Videos der offiziellen Parteiaccounts im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 23. Februar 2025, fällt auf, dass die SPD mit einem Anteil von 24,1 Prozent am meisten postete. In den Feeds der Nutzerprofile (21-25 Jahre) wurde die SPD allerdings nur mit einem Anteil von 14,1 Prozent vorgeschlagen – ein Verlust an Sichtbarkeit in den Feeds von zehn Prozent. Auch die CDU/CSU büßte durch den Empfehlungsalgorithmus Sichtbarkeit ein – sie postete einen Anteil von 17,1 Prozent der Videos offizieller Parteiaccounts, wurde jedoch nur zu 4,9 Prozent in den Feeds junger Nutzer:innen angezeigt. Die Parteien an den politischen Rändern profitierten hingegen: Während die AfD einen Anteil an 21,5 Prozent der hochgeladenen Videos aufwies, wurde sie in den Feeds mit 37,4 Prozent fast doppelt so häufig jungen Nutzer:innen vorgeschlagen. Die Linke konnte ihre Sichtbarkeit beinahe verdreifachen: Sie postete einen Anteil von 9,7 Prozent der Videos offizieller Parteiaccounts, wurde den Feeds aber mit einem Anteil von 27,6 Prozent der aufgetretenen Videos angezeigt.

Im Bundestagswahlkampf 2025 wurden politische Videos mit Bezug zur AfD auch am schnellsten vorgeschlagen. Nach Erstellung eines Nutzerprofils auf TikTok wurden innerhalb von durchschnittlich elf bis zwölf Minuten Videos mit #afd angezeigt. Erst nach 70 Minuten folgte ein Video mit #spd. Anteilig wurden über alle Plattformen hinweg Videos mit #afd am häufigsten angezeigt (etwa 50 Prozent aller parteibezogenen Inhalte auf TikTok, X, Instagram und YouTube). 

 

Empfehlungsalgorithmen bestimmen heute, welche politischen Botschaften junge Menschen überhaupt erreichen. Wenn Parteien der Mitte im digitalen Raum strukturell weniger sichtbar sind, gefährdet das die Ausgewogenheit digitaler Wahlkämpfe.

Amber Jensen, Project Managerin der Bertelsmann Stiftung

Plattformen können beeinflussen, was jungen Nutzer:innen bevorzugt angezeigt wird

Wieso manche Parteien mit ihren Videos mehr Sichtbarkeit erlangen, kann aufgrund der Intransparenz der Plattform-Algorithmen nicht eindeutig festgestellt werden. Die Daten legen nahe, dass Faktoren wie Kommentare, Likes, Views sowie die Machart der Videos Auswirkungen auf den Algorithmus haben – können allerdings die Unterschiede in der Ausspielung der Videos nicht gänzlich erklären. 

 

Die Feeds sind keine neutralen Räume. Sie spiegeln algorithmische Vorlieben wider. Ob die digitale Öffentlichkeit zukünftig Polarisierung verstärkt oder konstruktiven Diskurs ermöglicht, hängt davon ab, wie wir jetzt kommunizieren und regulieren.

Kira Schrödel, Project Managerin der Bertelsmann Stiftung

Mehr Transparenz und Verantwortung

Das begleitende Policy Paper EINWURF ordnet die Ergebnisse politisch ein und formuliert konkrete Handlungsempfehlungen:

  • Kurzfristig sollten insbesondere bislang unterrepräsentierte Parteien ihre Präsenz auf Plattformen wie TikTok ausbauen und dort respektvolle, dialogorientierte Kommunikation fördern.
  • Mittelfristig müssen digitale Bildung und die Selbstbestimmung über den Feed gestärkt werden, um junge Menschen zu befähigen, algorithmische Mechanismen zu verstehen und kritisch zu hinterfragen.
  • Langfristig braucht es verbindliche Transparenzpflichten für Plattformen.

Zusatzinformationen

Die Studie „Digitalisiert, politisiert, polarisiert? – Eine Analyse von Social-Media-Feeds junger Menschen zur Bundestagswahl 2025 auf TikTok, YouTube, Instagram und X “ der Universität Potsdam wurde in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung durchgeführt. Sie analysiert mithilfe von 268 angelegten Nutzerprofilen („Sock-Puppet-Audits“) unter 2,6 Millionen Videos, welche politischen Inhalte jungen Menschen (21–25 Jahre) im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 vom 22. Januar bis zum 23. Februar 2025 auf TikTok, YouTube, Instagram und X angezeigt werden.