Der Anteil pflegebedürftiger Menschen wird aufgrund der Alterung der Gesamtbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten deutlich zunehmen. Wenn sich an den finanziellen Rahmenbedingungen nichts ändert, wird der Beitrag zur Pflegeversicherung deutlich steigen.
Mit Beginn des Jahres 2019 wurde der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte angehoben. Damit sollen die steigenden Ausgaben für mehr Leistungsempfänger sowie für mehr Pflegekräfte und deren bessere Bezahlung zumindest bis 2022 gedeckt sein. Unsere aktuelle Prognose zeigt, dass dieses kurzfristige Ziel voraussichtlich erreicht wird. Allerdings werden den Berechnungen zufolge die Ausgaben ab 2025 aufgrund des demografischen Wandels weiter wachsen, ohne dass sich die Einnahmen entsprechend entwickeln. Ändert sich rechtlich nichts an der Finanzierung der Pflege, müsste der Beitragssatz zur Sozialen Pflegeversicherung bis zum Jahr 2045 von derzeit 3,05 auf 4,25 Prozent klettern. Das wären für ein heutiges Durchschnittseinkommen fast 550 Euro mehr im Jahr.
Die Prognose stellt ein erstes Teilergebnis einer umfassenderen Untersuchung zur Aufwertung der Altenpflegeberufe und deren Finanzierung dar, wodurch insgesamt dem Fachkräftemangel in der Pflege entgegengewirkt werden soll. Die Studie wird derzeit vom Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos in unserem Auftrag durchgeführt und soll im Sommer 2019 abgeschlossen sein.
Drei Fragen an den Studienleiter
Frage: Ist die aktuelle Erhöhung des Beitrags zur Pflegeversicherung ausreichend, um die Pflegekosten der Zukunft abzudecken?
Stefan Etgeton: Nach der erneuten Anhebung des Beitrags zur Pflegeversicherung mit Beginn des Jahres 2019 könnte der Eindruck entstehen, die Versorgung in diesem Bereich sei nun dauerhaft sichergestellt. Unsere Berechnungen zeigen aber, dass das auf längere Sicht nicht der Fall ist, wenn es bei den Rahmenbedingungen bleibt, die wir heute haben. Zur nachhaltigen Sicherung der Pflege bedarf es zusätzlicher Maßnahmen.
Frage: Wollen Sie damit eine Debatte über die Finanzierung der Pflegeversicherung anstoßen?
Stefan Etgeton: Nein, jedenfalls nicht in erster Linie. Uns treibt vor allem die Sorge um, dass die für die Versorgung in der Altenpflege benötigten Fachkräfte nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen. Bei der Prognose handelt es sich nur um ein Teilergebnis. In unserer größer angelegten Studie suchen wir im In- und Ausland nach Modellen für einen neuen Professionenmix, in dem der Pflegeberuf aufgewertet und für Einsteiger wie für bereits dort Tätige attraktiver gemacht wird. Denn neben besserer Bezahlung und Personalausstattung geht es den in der Pflege Beschäftigten vor allem um arbeitnehmerfreundlichere Arbeitsbedingungen, den Ausbau und die Anerkennung ihrer Kompetenzen und selbstbestimmtes Arbeiten.
Frage: Was sind weitere Schwerpunkte der Untersuchung?
Stefan Etgeton: Zu einer weitsichtigen Pflegepolitik gehört, neben der personellen Ausstattung auch die finanziellen Ressourcen im Blick zu behalten. Daher werden wir uns um das Thema Finanzierung nicht herumdrücken, sondern ohne Scheuklappen auch alternative Modelle durchkalkulieren. Mit den jetzt veröffentlichten Berechnungen wissen wir nun erstmal, was passiert, wenn nichts passiert. Das ist quasi unser Referenzszenario. Wir schauen als Nächstes, was im Mix der Professionen in der Altenpflege verändert werden sollte, um die Qualität sowohl der Pflege als auch der Arbeit in der Pflege zu verbessern. Dann werden wir die Kosten solcher Reformen kalkulieren und Vorschläge für deren Finanzierung entwickeln. Ein ordentliches Arbeitsprogramm für die erste Jahreshälfte. Unterstützt werden wir dabei durch Experten aus dem In- und Ausland. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse.