Flaggen der G7 Staaten vor blauem Himmel

Ungleichheit wird zum großen Thema des G7-Treffens

Justin Trudeau muss den anstehenden G7-Gipfel in Kanada durch schwierige politische Gewässer manövrieren. Wie gut wird ihm das gelingen? Der kanadische Premierminister Justin Trudeau lädt vom 8. bis 9. Juni 2018 die mächtigsten Staats- und Regierungschefs der Welt zum jährlich stattfindenden Treffen der Gruppe der Sieben (G7) ein.

Die Welt wird dabei vor allem auf US-Präsident Donald Trump schauen, der sich durch sein unilaterales Vorgehen in der Handelspolitik, beim Klimawandel und bei der Einwanderung zum Außenseiter gemacht hat. Auch die britische Premierministerin Theresa May wird genau beobachtet werden. Mit dem näher rückenden Brexit muss sie neue Handelsverträge mit G7-Ländern schließen. Unterdessen wird der französische Präsident wahrscheinlich seine guten persönlichen Beziehungen zu Trump nutzen, um Lösungen im Sinne aller anderen G7-Partner voranzubringen. Erwartet werden auch die erfahrene deutsche Kanzlerin Angela Merkel, der japanische Premierminister Shinzo Abe, der italienische Premierminister sowie Donald Tusk Präsident des Europäischen Rates und Jean-Claude Juncker Präsident der Europäischen Kommission.

Der Gipfel, abgehalten in der regionalen Grafschaftsgemeinde Charlevoix in der Provinz Quebec, wird geprägt sein von wachsendem Populismus, Protektionismus, Provinzialismus und großen globalen Gefahren durch den Einsatz chemischer Waffen in Syrien, Nordkoreas Raketen- und Atomprogramm, russische Angriffe und den nicht zu stoppenden Klimawandel.

Schon im Vorfeld des Treffens hat Trudeau eine Reihe von Zielen formuliert: Wachstum anzukurbeln, der allen zugutekommt, sich vorbereiten auf die Arbeitswelt der Zukunft, Geschlechtergleichheit vorantreiben und die Kooperation bei Klimawandel und in Umweltfragen fördern. Der fünfte Punkt auf der Liste, Schaffung einer friedlicheren und sichereren Welt, umfasst die Einsätze chemischer Waffen in Europa und Syrien, den Ausbau des nordkoreanischen Atomwaffen- und Raketenprogramms, regionale Sicherheitsrisiken in der Ukraine, den baltischen Staaten, dem Nahen Osten, Nordafrika, Venezuela und Asien, Terrorismus, Kriminalität und Korruption sowie Einschränkungen der Demokratie und Verletzungen der Menschenrechte. 

Trump Zügel anlegen

Im Vorfeld des internationalen Treffens wird viel darüber spekuliert, ob Trump sich wird zähmen lassen. Trudeau und andere Staats- und Regierungschefs der G7 haben sich sehr darum bemüht, eine positive Beziehung zum rechtsgerichteten, populistischen und protektionistischen US-Präsidenten aufzubauen. Das könnte sich in Charlevoix , bei Trudeaus Zielen, den wirtschaftlichen Wohlstand und den Arbeitsmarkt anzukurbeln, auszahlen, die ja auch von Trump und seiner Wählerschaft geteilt werden. Bei den Themen Handel und Klimawandel wird sich jedoch die Situation „G6 gegen einen“ wohl kaum vermeiden lassen. 

Hinsichtlich Ungleichbehandlung stehen alle G7-Länder gleichermaßen unter Druck. Auch Gastgeberland Kanada macht da keine Ausnahme. Dieses Problem wird auch im jüngsten Länderbericht der Sustainable Governance Indicators (SGI) der Bertelsmann Stiftung thematisiert und unterstreicht damit die Aktualität von Trudeaus Ziel einer Wachstumsoffensive, von der alle profitieren sollen. Der Bericht stellt fest: „Kanada erlebte während der letzten Jahrzehnte einen starken Anstieg der Einkommensungleichheit. Es spiegeln sich hier Entwicklungen wider, wie es sie auch in den Vereinigten Staaten und in anderen westlichen Wirtschaftsmächten gab: Der Anteil des Gesamteinkommens, der an das oberste 1 Prozent der Spitzenverdiener fließt, ist seit 1980 dramatisch gestiegen.“

Da liegt es nahe, dass die Menschen in der Welt berechtigte Gründe haben, sich gegen wirtschaftliche Nöte aufzulehnen und mehr Teilhabe zu fordern. Viele Menschen sind deshalb anfällig geworden für Desinformationen, die sich rasant online ausbreiten. Terroristische Akteure , eingeschlossen jene, die sich auf religiöse und frauenfeindliche Ideologien berufen, schüren zusätzliche Ängste, die das Gefühl der Unsicherheit verstärken und das Feindbild des „Anderen“ heraufbeschwören.

Diese Entwicklung gefährdet die wichtigste grundsätzliche Mission der G7: die demokratischen Werte zu fördern. Die mächtigsten Nationen der Welt müssen gegen die spalterischen Stimmen zusammenstehen und eine starke Gegenreaktion hervorbringen. Und sie müssen ausreichend Mittel mobilisieren, um die Welt  gerechter werden zu lassen.

Kopfzerbrechen bereitet Trudeau auch die Stimmung im eigenen Land

Zu den demokratischen Werten zählen auch die besonders kanadischen: Multikulturalismus, Offenheit und Multilateralismus. Doch auch in Kanada steht Trudeau vor Problemen. Während seine Wähler seine Zurückhaltung im Umgang mit Trump honorieren, sank seit seiner Wahl 2015 die Zustimmung zu seinen Anliegen  Förderung von Vielfalt und Einwanderung, Feminismus und Geschlechtergleichheit und Umsetzung des Pariser Abkommen gegen den Klimawandel auf nur noch einen knappen Vorsprung. 2019 stehen Provinz- und Territorialwahlen an, deshalb braucht Trudeau einen erfolgreichen Gipfel auch, um im eigenen Land seine politischen Aussichten zu verbessern. Gleichzeitig gilt es, der Welt zu versichern, dass die G7 sich nicht entzweit in dieser gespaltenen Welt.

In Bezug auf den Gipfel selbst, wird Trudeaus größte Herausforderung sein, dafür Sorge zu tragen, dass die Geschlechtergleichstellung sich auch in der G7-Agenda widerspiegelt und dass die Kanadier und andere diesen Fortschritt auch bemerken.

Trotz dieser Herausforderungen wird Kanada den Gipfel vermutlich auf einen Erfolg zusteuern können, obwohl langfristig wahrscheinlich die Sicherheitsthemen im Vordergrund stehen werden. Der Gipfel soll die Bereitschaft, militärisch gegen syrische Chemiewaffeneinsätze vorzugehen, deutlich machen. Gegen Russland wird man auf Einigkeit, Entschlossenheit und Abschreckung setzen und weiterführende Sanktionen, Verbesserungen der Cyber-Sicherheit und die Unterstützung der Ukraine besprechen. Auch gemeinsames Handeln gegen Terrorismus und Atom- und Raketenprogramme wird breiten Raum einnehmen. Außerdem wird Charlevoix zum ersten G7-Treffen, dass ernsthaft um Geschlechtergleichheit bemüht ist, indem es Gender-Themen untrennbar mit Wirtschaftswachstum, Gesellschaft und Nachhaltigkeit verknüpft.

Mögliche Ergebnisse könnten auch die Förderung der Zusammenarbeit in Handels- und Investmentfragen sowie Maßnahmen zum Schutz der Umwelt vor Plastik und Küstenverschmutzung sein. Auch mit dem Klimawandel und der Überfischung wird man sich befassen und über Katastrophenhilfe und saubere Energien reden.

Charlevoixs einsame Lage soll den Erfolg genauso befördern, wie die Erfahrenheit der Gipfelteilnehmer, die Beliebtheit von Justin Trudeau und Donald Trumps Leidenschaft für aufsehenerregende große Deals.

Übersetzt aus dem Englischen von Karola Klatt.

John Kirton ist Leiter der G7-Forschungsgruppe der Munk School of Global Affairs an der Universität von Toronto. Er ist Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt auf internationalen Beziehungen, globaler Ordnungspolitik und kanadischer Außenpolitik.

Brittaney Warren ist Forschungsdirektorin und Leiterin des Schwerpunktes Klimawandel und Umwelt der Munk School of Global Affairs an der Universität von Toronto.