Konvergenz nicht Konsens

Der zehnte Salzburger Trilog forderte einen normativen Rahmen - eine neue "Software" - für die Weltwirtschaft und für die globalisierte Welt.

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Der zehnte Salzburger Trilog führte vom 18. bis 20. August 2011 29 Teilnehmer aus 16 Ländern zusammen, um über aktuelle Herausforderungen globaler Ordnungspolitik zu sprechen. Der Trilog stand unter dem Eindruck der jüngsten Börsenturbulenzen und einer repräsentativen Umfrage der Bertelsmann Stiftung, wonach neun von zehn Befragten in Deutschland und Österreich glauben, dass die Weltwirtschaft internationale Regeln erfordert, um eine Übernutzung der Ressourcen und eine erneute weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise zu verhindern. Doch die Mehrheit ist skeptisch, dass solche Regeln verbindlich vereinbart werden oder eine erneute Wirtschaftskrise verhindert werden könnte.

Während die wirtschaftliche und technologische Globalisierung längst Realität geworden ist, steckt die supranationale Politik erst in ihren Anfängen. Der Multilateralismus in der bestehenden Form funktioniere nicht mehr, äußerte Dino Djalal aus Indonesien. Darin stimmten die Teilnehmer weitgehend überein. Die globale Ordnungspolitik sei unfähig, auf Basis eines Konsensprinzips komplexe globale Probleme und systemische Risiken zu managen (Ian Goldin), die mit dem Begriff der „tragedy of the commons“ umschriebene Übernutzung der globalen Gemeingüter zu verhindern (Sean Cleary) und die gravierenden externen Kosten des wachsenden Konsums einer immer größer werdenden Weltbevölkerung zu internalisieren (Dennis Snower). Es sei erschreckend, wie stark nationale Interessen die globale Agenda bestimmen, so Pascal Lamy. Die Weltwirtschaft erfordere einen neuen Rahmen, denn die Zeiten billiger Ressourcen und fossiler Energieträger seien ebenso vorbei (Kandeh Yumkellah), wie der Freifahrtschein (Chandran Nair) und die Dominanz der westlichen Wirtschaftsmächte (Nicolas Berggruen). Kernfragen, die sich in ordnungspolitischer Hinsicht stellen, lauten: Können demokratische Gesellschaften langfristige und nachhaltige Ziele verwirklichen? Inwieweit verfolgen asiatische und westliche Gesellschaften konvergente Ziele und Prioritäten? Wie sollen Interessen- und Zielkonflikte auf globaler Ebene gelöst werden? Woher könnte die politische Energie kommen, globale Ordnungspolitik auf eine neue Basis zu stellen?

Eine Charta für nachhaltiges Wirtschaften

Unter den Lösungsansätzen, die diskutiert wurden, fand der Vorschlag einer Charta für nachhaltiges Wirtschaften den größten Widerhall: „Für eine global nachhaltige Entwicklung brauchen wir neue normative Grundlagen. Wir müssen uns anstrengen und entwickeln, welche Normen dies sein könnten“, argumentierte Kandeh Yumkellah von UNIDO. Diese lassen sich nicht von oben vorgeben, sondern müssten aus den Zukunftserwartungen und Weltanschauungen der Menschen weltweit abgeleitet werden, wie der französische Anthropologe Marc Abélès bemerkte. „Das ist der Grund, warum als Lösungsansatz auf die ordnungspolitischen Probleme eine Art Charta, eine Beschreibung in einfachen politisch verständlichen Worten, wie wir mit der Globalisierung und ihren Herausforderungen umgehen wollen, jetzt bewerkstelligt werden muss. Last uns das Problem in dieser Weise angehen, wissend, dass ein solcher Prozess einige westlich geprägte ideologische Grundlagen des gegenwärtigen Systems in Frage stellen wird.“, so Lamy. „Solange wir einen solchen normativen Rahmen nicht haben, aus dem ersichtlich wird, was wir gemeinsam und gegebenenfalls anders als bisher erreichen wollen, werden wir weiterhin mit einem sehr geringen politischen Gestaltungswillen leben müssen. Wir werden weiterhin große Reden über das politische Führungsversagen hören. Das ist ok, aber Führung in einem Vakuum einzufordern funktioniert nicht. Es ist bedeutungslos. Es gibt kein Führungsversagen, wenn die Menschen ihre Führungspersönlichkeiten nicht auf Ziele verpflichten. Wir müssen endlich weiter kommen.“

Zur Steuerung der Weltwirtschaft mit ihren Interessengegensätzen, systemischen Risiken und sozialen wie ökologischen Folgekosten werden dringend neue Ansätze erforderlich. Die überwiegend diskutierten Strukturreformen in den Institutionen (der ‚Hardware‘) reichen dafür alleine nicht aus. Wichtiger ist vielmehr eine neue ‚Software‘. Diese müsse die Prioritäten sichtbar machen, die die Weltwirtschaft erfüllen soll, und die Regeln aufzeigen, mit denen Zielkonflikte zwischen Akteuren und Interessen auf globaler Ebene gelöst werden können. Eine gemeinsam zwischen westlichen und nicht-westlichen Akteuren zu erarbeitende Charta für nachhaltiges Wirtschaften, die in verständlichen Worten umschreibt, welche wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Ziele und mit welchen politischen Maßnahmen global verfolgt werden sollen, wäre ein wichtiger Schritt zu einer weniger krisenanfälligen Weltwirtschaft. Mit dieser Schlussfolgerung endete der zehnte Salzburger Trilog.