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Wie stehen EU-Bürger zur Arbeitslosen-Rückversicherung?

Auf Einladung des Programms Europas Zukunft stellten Forscher der Universität Amsterdam eine neue Umfrage vor: Demnach befürworten Bürger ein EU-weites Instrument gegen Arbeitslosigkeit. Die Bertelsmann Stiftung hatte zuvor die makroökonomischen Effekte einer Rückversicherung berechnet.

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Eine Arbeitslosen-Rückversicherung kann als sogenannter „automatischer Stabilisator“ in einer Volkswirtschaft dienen: In Krisenzeiten etwa kann er durch erhöhte Ausgaben (z.B. für Arbeitslosigkeit) eine Wirtschaft „gegen den Trend“ stabilisieren. Während Sozialversicherungen diese Rolle in vielen Mitgliedsstaaten einnehmen, fehlt auf europäischer Ebene ein solches Instrument. Dieser könnte bei den für die Eurozone so typischen „asymmetrischen“ Krisen stabilisierend wirken. Eine im Dezember 2018 veröffentlichte Studie des Programms Europas Zukunft wurde breit aufgegriffen, da diese den Mehrwehrt einer Rückversicherung für eine stabile Eurozone empirisch belegt. Doch wie stehen EU-Bürger zu solchen, vermeintlich technischen, Reformvorschlägen?

Diese Frage war Gegenstand der Veranstaltung des Programms Europas Zukunft mit dem Titel „A European unemployment re-insurance – What do European citizens really think?“ Christian Kastrop, Direktor des Programms Europas Zukunft, begrüßte die Gäste, zumeist aus Ministerien, Botschaften, Thinktanks und der Wirtschaft, und gab dann an unseren Vorstandsvorsitzenden Aart de Geus weiter. Dieser stellte das Thema in einen größeren Kontext: Die Bertelsmann Stiftung arbeitete schon vor einigen Jahren an der Idee einer EU-Arbeitslosenversicherung. Mit dem Vorschlag von Finanzminister Olaf Scholz im Herbst 2018, eine Rückversicherung für die Eurozone zu schaffen, habe sich die Diskussion verändert. Dieses Instrument sei vor allem deshalb attraktiv, weil es zu vergleichsweise geringen Transfers, aber mehr Stabilisierung führen könne – dieser Zusammenhang war auch eines der zentralen Ergebnisse der Studie aus dem Programm Europas Zukunft.

Die Referenten Prof. Dr. Frank Vandenbroucke und Dr. Francesco Nicoli (beide von der Universität Amsterdam) stellten die Ergebnisse ihrer Studie vor. Die Forscher befragten rund 20.000 Bürger in 13 Mitgliedsstaaten. Sie legten den Befragten unterschiedlich zugeschnittene Pakete einer Reform hin zu mehr gesamteuropäischer Risikoteilung bei Arbeitslosigkeit vor, etwa verbunden mit einer höheren oder gleichbleibenden Steuerlast oder gleichzeitig höheren Ausgaben an anderer Stelle. Zentrale Forschungsfrage war dabei, ob und inwieweit EU-Bürger eine grenzüberschreitende Teilung des Risikos von Beschäftigungsschocks (und deren Bewältigung) befürworten würden. Das Ergebnis: Nur ein kleiner Teil der Befragten würde Transferzahlungen und die gemeinsame Risikoteilung grundsätzlich ablehnen. Entsprechend hätte eine europäische Rückversicherung in fast jedem Land eine Mehrheit gefunden – insbesondere dann, wenn ihre Einführung mit gleichzeitig höheren sozialen Ausgaben, etwa für Bildung oder Infrastruktur, einhergehen würde. Die hohe Zustimmung erschien ob der oftmals kritischen Berichterstattung bei „Transferzahlungen“ durchaus überraschend.

Nach dem Vortrag diskutierten Isabell Hoffmann und Dominic Ponattu (Programm Europas Zukunft) sowie Lucas Guttenberg (Jacques Delors Institute Berlin) die Ergebnisse und gingen auf Gemeinsamkeiten mit und Unterschiede zu mit ihren jeweiligen Arbeitsschwerpunkten, sowie die sich aus den Studienergebnissen ergebenden Schlussfolgerungen ein. Anschließend beteiligte sich das Plenum. Dabei wurde etwa betont, wie wichtig etwa die Abgrenzung zwischen den eigentlichen Bedürfnissen und Ansichten der Bürger und der oft emotional stark aufgeladenen öffentlichen Diskussion um Reformen in der EU ist. Ebenso wurden die von den Bürgern als wichtig erachteten Investitionen in Bildung und Soziales hervorgehoben – solche Investitionen gelte es, neben Instrumenten zur Stabilisierung der Eurozone, ebenfalls zu fördern. Außerdem sei das „Framing“ von großer Bedeutung – also in diesem Fall die Darstellung von Reformpaketen bei der Befragung von Bürgern und die Übersetzung von Konzepten in der politischen Debatte. Gerade in der Brexit-Kampagne im Jahr 2016 wurde dies besonders deutlich. Hier tragen Politiker eine große Verantwortung, so die Teilnehmer.

Deutsche Zusammenfassung und Präsentation (englisch):