Mehrere Helme verschiedener Farben hängen an einer Holzwand

Produktivitätsunterschiede in Deutschland: Stadt-Land-Gefälle entscheidend

Wenn es um Unterschiede zwischen Regionen geht, spielen auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland eine große Rolle.

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Und in der Tat findet auch unsere Studie ein deutliches Gefälle zwischen beiden Landesteilen. Unternehmen in Ostdeutschland erreichen in etwa 80 Prozent des Effizienzniveaus der Unternehmen in den westdeutschen Bundesländern. 

„Doch wird das Ost-West-Gefälle überschätzt. Viel wichtiger ist der Unterschied zwischen den städtischen und den ländlichen Regionen“, sagt unser Wirtschaftsexperte Torben Stühmeier. Die städtischen Regionen verfügen über eine im Durchschnitt höhere Produktivität als die ländlichen Regionen. Die mittlere Arbeitsproduktivität der städtischen Regionen liegt im Jahr 2017 11 Prozent über dem Durchschnitt aller Regionen, in der Industrie sogar fast 20 Prozent. Dieser Punkt muss auch in Ost-West-Vergleichen berücksichtigt werden. Ostdeutschland ist deutlich stärker ländlich geprägt als Westdeutschland. Deshalb ist der Ost-West-Unterschied in erheblichem Maße ein Stadt-Land-Unterschied. Vergleicht man nur die ländlichen Regionen in Ost- und Westdeutschland miteinander, sind die Produktivitätsunterschiede deutlich geringer.

Der Produktivitätsvorsprung Westdeutschlands erklärt sich deshalb überwiegend durch die Produktivität der städtischen Regionen, die nun einmal fast alle in Westdeutschland liegen. Die Städte profitieren von Agglomerationsvorteilen, einer guten Infrastruktur und Vernetzung zum Umland. So ziehen sie innovative und produktive Unternehmen an. Einige Zentren – die Superstars – setzen sich zudem immer mehr von anderen Regionen ab. Hierzu zählen Großstädte wie München und Hamburg, wie auch die Zentren der Automobil- und Chemiekonzerne. Auch diese Leuchttürme fehlen in Ostdeutschland.

Die ostdeutschen und ländlichen Regionen holen jedoch langsam auf. So liegen neun von zehn Regionen mit dem höchsten Zuwachs der Arbeitsproduktivität in den Jahren 2000-2017 in Ostdeutschland. Seit etwa 2008 geriet der Aufholprozess jedoch ins Stocken, seitdem entwickelt sich die Produktivität in beiden Landesteilen auf gleich niedrigem Niveau.

Daher gilt es, die Wachstumsdynamik über alle Regionen hinweg wieder in Gang zu bringen. Die Förderung von Investitionen in Forschung und Entwicklung und in Wissenskapital sind hier entscheidende Stellschrauben. Darüber hinaus muss der ländliche Raum gestärkt werden – in Ost- und Westdeutschland. Ein flächendeckender Breitbandausbau und der Aufbau einer Wissensinfrastruktur können geeignete Instrumente sein. Kurzum: Es sind deutliche Investitionen in den ländlichen Raum notwendig, um den Anschluss nicht weiter zu verlieren.