verschiedene Personen im Blaumann stehen um eine Mauer herum und bekommen etwas erklärt

Transnationale Ausbildungspartnerschaften etablieren

Nachhaltige Ergebnisse bei der internationalen Fachkräftegewinnung können nur erzielt werden, wenn die Interessen von Einwanderungsländern, Herkunftsländern sowie von Migrierenden selbst angemessen berücksichtigt werden. Im Sinne dieser Triple Win-Perspektive erforscht die Bertelsmann Stiftung seit 2015 den Ansatz der transnationalen Ausbildungspartnerschaften. Der Begriff transnationale Ausbildungspartnerschaften beschreibt eine neuartige Form der Arbeits- und Ausbildungsmigration und wird verwendet als Oberbegriff für transnationale Modelle, die entwicklungsorientierte Migrationspolitik mit (Berufs-)Bildungspolitik verknüpfen und dabei auf eine gerechte Verteilung der durch qualifizierte Migration erzielten Vorteile abzielen.

Dort, wo Ausbildungspartnerschaften bereits bei der Qualifizierung und nicht erst bei der Abwerbung von Fachkräften ansetzen, haben sie das Potenzial, die Fachkräftebasis global zu stärken, den notwendigen Interessensausgleich zwischen allen Parteien zu organisieren und schädliche Effekte der Arbeitsmigration wie etwa Braindrain zu reduzieren. Auf diese Weise gewinnen Herkunftsländer nicht mehr allein durch die Geldtransfers der Migrant:innen, sondern ihnen kommen überdies wichtige Impulse für ihre Ausbildungssysteme und Arbeitsmärkte zugute. Dabei profitiert Deutschland ebenfalls durch qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland und steuert die dringend benötigte qualifizierte Zuwanderung in geordnete, reguläre und damit sichere Bahnen.

Ansprechpartner:innen

Foto Najim Azahaf
Najim Azahaf
Senior Project Manager
Foto Susanne U. Schultz
Dr. Susanne U. Schultz
Senior Expert

Inhalt

 

Nach der Erforschung von Good Practices, empirischen Machbarkeitsanalysen in potenziellen Partnerländern sowie einem kontinuierlichen Wissens- und Erfahrungsaustausch mit Expert:innen und Praktiker:innen aus dem Feld, haben wir unsere Erkenntnisse in internationalen Foren wie dem Global Forum on Migration and Development (GFMD) und bei den Vereinten Nationen (UN) eingebracht. Die Aufnahme in den Globalen Migrationspakt der UN (Ziel 18e) hat den Ansatz auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt und für größere Bekanntheit in der internationalen Staatengemeinschaft gesorgt. In Zukunft gilt es, die Übertragbarkeit und das Skalierungspotenzial solcher Partnerschaften auf unterschiedliche Migrationskorridore, etwa auf dem afrikanischen Kontinent, zu erkunden.

Um diese entwicklungsorientierte Perspektive bei der Fachkräftegewinnung in Deutschland weiter zu stärken, werden wir

  1. weiterhin durch praxisnahe und anwendungsorientierte Studien und Expertisen die Wissensbasis ausbauen und in nationalen und internationalen Foren bereitstellen;
  2. Skalierungsstrategien durch die Beteiligung an Pilotprojekten unterschiedlichen Typs erproben;
  3. im Rahmen unseres gemeinnützigen Auftrags Stakeholder aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft durch Lern- und Austauschplattformen vernetzen und stärken.

1. Studien und Expertisen

Wir wollen wissenschaftlich fundiert untersuchen, wie sich am Triple Win ausgerichtete Ausbildungspartnerschaften in Zukunft auf breiter Basis und in verschiedenen Weltregionen etablieren lassen. Neben der Analyse der konzeptionellen Grundlagen sowie systemischer Hürden und Flaschenhälse in Politik, Recht, Wirtschaft und Gesellschaft untersuchen wir mit Hilfe empirischer Fallstudien die Machbarkeit in konkreten potenziellen Partnerländern.

Policy Brief: Wie transnationale Ausbildungspartnerschaften in Deutschland vorangebracht werden können
Dieser grundlegende Policy Brief bietet eine Typologie anhand von konkreten Fallbeispielen an. Mit Blick auf systemische Skalierungshürden werden zentrale Handlungsoptionen formuliert, wie der Ansatz der Ausbildungspartnerschaften im Rahmen des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes in Deutschland vorangebracht werden kann. (Download DE | ENG)

Studie: Transnationale Qualifizierungs- und Mobilitätspartnerschaften (tQMP)
Bislang liegen kaum empirische Analysen zu konkreten Ausbildungspartnerschaften vor. Hier schafft diese Studie von Michael Sauer und Jurica Volarevic Abhilfe, indem sie existierende Ausbildungspartnerschaften insbesondere aus dem Erfahrungsraum der Republik Kosovo analytisch beleuchtet. Mithilfe einer Bestandsaufnahme der konzeptionellen Diskurse und Praxiserfahrungen wird ein Kategorisierungsvorschlag unternommen, mit dessen Hilfe die empirische Vielfalt besser geordnet und konzeptionell greifbar gemacht werden kann. (Download DE | ENG)

Mapping-Studie: Transnationale Qualifizierungs- und Mobilitätspartnerschaften (tQMP) mit deutscher Beteiligung
Ein interner Bericht zur Studie bietet in Verbindung mit einer dafür erstellten Datenbank einen Überblick über das aktuelle Ausmaß und die Verortung von Aktivitäten sowie die eingebundenen verantwortlichen Institutionen im Bereich Ausbildungspartnerschaften in der Bundesrepublik Deutschland.

Machbarkeitsstudien zu einer Ausbildungspartnerschaft zwischen NRW und Ghana

Partnerschaftliche Ansätze werden in Deutschland auch auf Bundesländerebene verfolgt. Vor dem Hintergrund der seit 2007 bestehenden Partnerschaft und zivilgesellschaftlicher als unternehmerischer Verbindungen zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen (NRW) und Ghana untersuchen zwei explorative Studien Bedingungen und Anknüpfungspunkte für eine transnationale Ausbildungspartnerschaft in diesem Rahmen:

Die Studie Transnational Skills Partnerships between Ghana and North Rhine-Westphalia, erstellt vom Arnold-Bergstraesser-Institut (ABI) in Freiburg und dem Center for Migration Studies (CMS) der Universität Ghana in Accra, koordiniert von der Mercator Stiftung, untersucht in Ghana die Voraussetzungen und Anknüpfungspunkte für eine Ausbildungspartnerschaft des Landes Nordrhein-Westfalen mit Ghana im Bausektor. (Download ENG).

Eine weitere explorative Studie "Innovation durch Kooperation: Ausbildungspartnerschaften im Bausektor. Eine Exploration mit Fokus auf NRW und Ghana" untersucht die konkreten Anknüpfungspunkte auf der Seite nordrhein-westfälischer Unternehmen und zentraler Akteure – insbesondere mit Blick auf eine mögliche Partnerschaft bei der Ausbildung von Fachkräften im Bausektor mit dem Fokus auf Ghana. (Download DE).

Die Policy Note Transnational Skills Partnerships between Ghana and Germany: A "Triple-Win" Solution? beleuchtet zusammenfassend die Potentiale dieser Kooperation für beide Seiten.

2. Beteiligung an Pilotprojekten

Um möglichst praxisnah Handlungswissen zu gewinnen und Skalierungsstrategien für künftige Ausbildungsprojekte zu erproben, beteiligt sich die Bertelsmann Stiftung an konkreten Pilotprojekten unterschiedlichen Typs in verschiedenen Ländern und Weltregionen.

Ausbildungspartnerschaft in der Pflege auf den Philippinen

Im Rahmen dieses Projektes in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wird eine langfristig angelegte Ausbildungspartnerschaft etabliert, in der die Qualifizierung für den Arbeitsmarkt in Deutschland direkt in einer Universität auf den Philippinen im Rahmen der regulären Ausbildung stattfindet und somit eine unmittelbare Anerkennung in Deutschland nach Beendigung des Studiums ermöglicht. Zudem werden vertiefte Sprachkenntnisse und Fachpraxis vermittelt sowie in interkulturellen Modulen auf das Leben und Arbeiten in Deutschland vorbereitet. Dazu werden Inhalte der deutschen Ausbildung in das bestehende Curriculum der Partnerinstitution integriert sowie ein Skills-Lab ausgestattet, welches den praktischen Anteil der Lehre unterstützen soll. Diese zusätzlichen Angebote stehen auch denjenigen Studierenden offen, welche nicht nach dem Studium nach Deutschland ausreisen möchten (sog. „Home track“). So kommen die erworbenen Kenntnisse nicht nur den Arbeitgeber:innen in Deutschland, sondern auch dem Herkunftsland zugute.

Mehr Informationen im Change Magazin der Bertelsmann Stiftung (S. 12 – 19).

Ausbildungspartnerschaft in der Pflege mit Südafrika

Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) hat neue Einwanderungswege in das deutsche Ausbildungssystem eröffnet. Auch eine Vollausbildung in Deutschland erlaubt eine Fachkräftegewinnung im Sinne des Triple Win. Die Vorteile dieses Ansatzes liegen darin, dass die Herkunftsländer keine qualifizierten Fachkräfte (Braindrain) und auch nicht die damit verbundenen Humankapitalinvestitionen (fiscal drain) verlieren, sondern neue Fachkräfte für den deutschen Kontext passgenau ausgebildet werden. Um Potenziale und Grenzen dieses Typs von Ausbildungspartnerschaften besser zu untersuchen, unterstützen wir das Start-up uNowanga finanziell und ideell. uNowanga vermittelt in Zusammenarbeit mit dem Orden St. John ehrenamtliche Pflegehelfer:innen an deutsche Pflegeeinrichtungen mit dem Ziel einer Ausbildung zur Pflegefachkraft. Damit wird der südafrikanische Arbeitsmarkt entlastet, Perspektiven für arbeitslose südafrikanische Jugendliche eröffnet und gleichzeitig ein Beitrag zur Überwindung des Pflegenotstands in Deutschland geleistet. Mehr Informationen zu diesem Projekt finden Sie hier.

3. Lern- und Austauschplattform für Stakeholder

Um bestehende Wissens- und Erfahrungswerte im Bereich transnationaler Ausbildungspartnerschaften sowie Strategien und Handlungskonzepte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zu vermitteln, etablieren wir eine Austauschplattform für relevante Stakeholder (z.B. Ministerien, Sozialpartner:innen, Kammern und Verbände, Unternehmer:innen, Stiftungen etc.) im deutschsprachigen Raum. Die beteiligten Stakeholder erhalten die Möglichkeit zur besseren Vernetzung untereinander und werden für das Triple-Win-Paradigma und die Ziele des UN-Migrationspakts sensibilisiert.