In der US-amerikanischen Stadt Boston musste die Schulbehörde ein Projekt zur Umgestaltung der Schulbusrouten und Unterrichtszeiten wieder einstampfen, nachdem es von Seiten der Eltern zu großen Protesten gekommen war. Ein Team des Massachusetts Institute of Technology (MIT) hatte den Auftrag bekommen, mit Hilfe von Algorithmen ein neues System zu entwickeln, das eine bessere Auslastung der Busse, kürzere Fahrzeiten, weniger CO2-Emissionen, Anpassungen in den Unterrichtszeiten, insbesondere einen späteren Schulbeginn für ältere Schüler und früheres Unterrichtsende für die jüngeren, sowie insgesamt eine gerechtere Verteilung der Abfahrtzeiten zwischen privilegierten und ärmeren Schulbezirken versprach. Obwohl sich die Stadt während des Projekts stets darum bemühte, die Öffentlichkeit auf dem Laufenden zu halten, waren die Familien von den durch das algorithmische Entscheidungssystem erzeugten Veränderungen vollkommen überrascht. Es kam zu Demonstrationen und eine Petition wurde gestartet, um das neue System abzuwenden.
Das Beispiel unterstreicht, dass es für die gesellschaftliche Akzeptanz von algorithmischen Entscheidungssystemen (Algorithmic Decision Making, ADM) äußerst wichtig sein kann, ihren Einsatz und ihre Funktionsweise auch für diejenigen transparent und nachvollziehbar zu machen, die von ihnen betroffen sind.
Allgemeine Forderungen müssen konkretisiert werden
Forderungen nach Transparenz und Nachvollziehbarkeit bestimmen daher längst die politische Debatte über ADM in Deutschland sowie auf europäischer und internationaler Ebene. Auch das im Oktober 2019 vorgestellte Gutachten der Datenethikkommission identifiziert konkrete Anforderungen an die Transparenz und Nachvollziehbarkeit für Betroffene. Doch die Forderungen und Bestimmungen bleiben oftmals abstrakt. Das vorliegende Papier möchte zur Vertiefung der Debatte beitragen, indem es die Begriffe Transparenz und Nachvollziehbarkeit weiter konkretisiert. Dazu wirft es auch einen Blick in drei verschiedene Anwendungsbereiche von algorithmischer Entscheidungsfindung, die für unser gesellschaftliches Zusammenleben zentral sind und im Rahmen des Projektes vertiefend behandelt wurden: öffentliche Sicherheit, Personalwesen und Gesundheit. Wie kann Nachvollziehbarkeit hier für Bürger:innen, Bewerber:innen und Patient:innen hergestellt werden? Ziel ist es, das Thema Transparenz und Nachvollziehbarkeit an praktischen Beispielen zu erörtern und damit greifbarer zu machen. Am Ende des Papiers steht daher eine Checkliste für mehr Nachvollziehbarkeit von ADM sowie Empfehlungen für politische Entscheidungsträger und Stellen, die algorithmische Systeme einsetzen. Auf diese Weise gestaltet sich unser abschließendes Impulspapier gleichermaßen praxisnah und lösungsorientiert über die Grenzen spezifischer Anwendungsfälle hinweg.
Vielfältige Chancen von Nachvollziehbarkeit gegenüber Betroffenen
Algorithmische Systeme gegenüber Betroffenen verständlich zu machen, bringt vielfältige Chancen mit sich. Durch die Analyse der Fallbeispiele ließen sich folgende Funktionen von Transparenz und Nachvollziehbarkeit identifizieren: