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Wie algorithmische Prozesse den gesellschaftlichen Diskurs beeinflussen

Mehr als 57 Prozent der deutschen Internetnutzer informieren sich auch über Suchmaschinen und soziale Netzwerke über das Zeitgeschehen. In den USA nutzen bereits 44 Prozent der Erwachsenen Facebook regelmäßig als Nachrichtenquelle. Der Begriff "Öffentlichkeit" definiert sich also neu – weil nun algorithmische Prozesse und psychologische Faktoren dazu beitragen, was wir als Nachricht wahrnehmen und wie wir es wahrnehmen. Ein neues Arbeitspapier untersucht, was wir über diesen Wandel wissen – und wie er für mehr Teilhabe genutzt werden kann.

Algorithmische Entscheidungsprozesse haben Einfluss auf die Teilhabe vieler Menschen am gesellschaftlichen Diskurs: Software personalisiert Suchergebnisse und den Nachrichtenstrom in sozialen Netzwerken. Welche Auswirkung dieser Strukturwandel der Öffentlichkeit hat, beschreibt das Arbeitspapier "Digitale Öffentlichkeit". Es untersucht drei zentrale Fragen zur Öffentlichkeit im digitalen Zeitalter:

1.) Medienwandel: Wie verändert sich die Öffentlichkeit durch neue digitale Plattformen, über die heute viele Menschen gesellschaftlich relevante Informationen beziehen?

Von algorithmischen Prozessen gesteuerte Angebote wie Google oder Facebook haben – wenn man alle Altersgruppen zusammen betrachtet – im Vergleich zu redaktionell gesteuerten Medien wie dem Fernsehen einen großen, aber bislang nicht entscheidenden Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung. Sie bewerten die Relevanz von Inhalten viel stärker als redaktionelle Medien anhand von unmittelbaren Reaktionen des Publikums. Indem Maschinen für Menschen Nachrichten zusammenstellen, entsteht ein zunehmend personalisiertes Medienangebot.

 2.) Gesellschaftliche Folgen: Eignen sich diese maschinell zusammengestellten Informationen in ihrer Qualität und Vielfalt dafür, demokratische Entscheidungen zu treffen, und eröffnen sie mehr Chancen zur Teilhabe?

Prägend für diesen Strukturwandel der Öffentlichkeit sind nicht nur die algorithmischen Prozesse an sich, sondern auch die Nutzerreaktionen, die sie hervorrufen. Fallen diese Publikumsreaktionen impulsiv aus, kann dies die Qualität des öffentlichen Diskurses beeinträchtigen – und wer daran teilnimmt. Klassische Leitwerte wie Wahrheit, Vielfalt oder gesellschaftliche Integration können unter die Räder kommen, wenn nicht mehr redaktionelle Medien, sondern Algorithmen darüber entscheiden, welche Nachrichten wir zu sehen bekommen.

 3.) Lösungsansätze: Welche Ansatzpunkte sind denkbar, um die neuen digitalen Plattformen positiv in puncto Teilhabe zu gestalten?

Wenn die neuen algorithmischen Formen der Nachrichtenvermittlung positive Auswirkungen auf die Gesellschaft haben sollen, muss sich auf folgenden Handlungsfeldern etwas tun: Das Publikum muss für den Strukturwandel der Öffentlichkeit sensibilisiert werden; Außenstehende müssen die Möglichkeit erhalten, die algorithmischen Prozesse zu beforschen und auszuwerten; die Vielfalt algorithmischer Prozesse muss gestärkt werden, zum Beispiel indem die Nachrichten-Branche einschließlich der algorithmischen Plattformen gemeinsame Leitwerte aufstellt oder aufgestellt bekommt.

Das Arbeitspapier ist Teil einer Untersuchung zum Thema "Teilhabe in Zeiten von Algorithmen und Big Data". Bereits erschienen sind: 

"Wenn Maschinen Menschen bewerten", eine Analyse internationaler Fallbeispiele für Prozesse algorithmischer Entscheidungsfindung und der erkennbaren Chancen, Risiken und Handlungsbedarfe.

"Teilhabe, ausgerechnet", ein Instrument, mit dem sich die potenzielle Wirkung algorithmischer Prozesse auf Teilhabechancen vergleichen lässt.