Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Asien und im Westen
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass einige Einflussfaktoren und Auswirkungen des sozialen Zusammenhalts tatsächlich universell funktionieren, andere dagegen nicht. Die auffälligste Ähnlichkeit zwischen dem Westen und Asien sind die positiven Auswirkung von wirtschaftlichem Wohlstand. In beiden Weltregionen fördern wirtschaftliche Ressourcen den sozialen Zusammenhalt. Die auffälligsten Besonderheiten der asiatischen Region beziehen sich auf Einkommensungleichheit und die politischen Rahmenbedingungen. Hinsichtlich der Disparitäten bei der Einkommensverteilung gilt im Westen eine einfache Formel: Je größer die Kluft zwischen Arm und Reich, desto geringer ist der Zusammenhalt in der Gesellschaft. Für Asien ist die Formel komplexer, da dort die Gesellschaften mit dem größten Zusammenhalt jene mit einer moderaten Einkommensungleichheit sind, nicht die mit der niedrigsten Ungleichheit. Eine mögliche Interpretation ist, dass in asiatischen Gesellschaften zwei miteinander konkurrierende Auswirkungen von Einkommensungleichheit gleichzeitig wirken: ein negativer und ein positiver Effekt, die sich zu einem mittleren Niveau der Ungleichheit ausbalancieren. Der Übergang von kleinen zu moderaten Einkommensungleichheiten fördert tendenziell den sozialen Zusammenhalt, während der Übergang von einer moderaten zu einer hohen Einkommensungleichheit ihn untergräbt. Einkommensdisparitäten scheinen den sozialen Zusammenhalt mithin zu fördern, solange sie nicht zu groß werden.
Die zweite große Besonderheit Asiens im Vergleich zum Westen besteht darin, dass autoritärere Regime einen stärkeren und nicht etwa einen schwächeren Zusammenhalt aufweisen. Für den Westen gilt das Gegenteil: Die liberale Demokratie stärkt den sozialen Zusammenhalt. Die Gesellschaften mit dem stärksten Zusammenhalt sind hier jene mit dem liberalsten demokratischen Aufbau – d. h. diejenigen, die Rechte von Minderheiten auf ein Schutzniveau heben, das dem der Mehrheitsgesellschaft entspricht. Im Gegensatz zu diesem westlichen Modell weisen die autoritär verfassten Gesellschaften in Asien ein höheres Maß an Zusammenhalt auf als die demokratischen auf einem ähnlichen Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Autoren erklären diesen Befund mit soziologischen und interkulturellen psychologischen Theorien über Modernisierung in Asien und asiatische Werte.
Die praktische Schlussfolgerung der Untersuchung lautet, dass nicht alle politischen Empfehlungen zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts sich einfach von einer Weltregion auf die andere übertragen lassen. Letztlich kommen die Autoren zu dem Schluss, dass es nur wenige universell gültige Lösungen für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts gibt: “A firm conclusion of our research is that policy makers interested in strengthening social cohesion should be careful in copying recipes that worked well in other parts of the world. One key exception is economic prosperity; obviously, economic means are useful for achieving social ends, too.”
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