Grenzregionen sind die Nahtstellen Europas. Wie in einem Brennglas sind die Vorteile Europas spürbar, jedoch auch die Lücken der Europäischen Zusammenarbeit. Erstmalig diskutierten an zwei Tagen Bürger:innen aus sechs Grenzregionen in vier Sprachen. Mit dabei waren Bürger:innen aus Baden-Württemberg und Sachsen, den Regionen Grand Est (FR) und Dolnoslaskie (PL) sowie den Regionen Karlovarský und Ústecký (CZ).
Drei Themen standen dabei im Vordergrund: Klima- und Umweltschutz, Kooperationsprojekte in den Grenzregionen sowie Demokratie. Was können unterschiedliche europäische Regionen voneinander lernen? Welche Lösungen für Klimaschutz existieren europaweit? Wie können Grenzregionen und die europäische Demokratie gestärkt werden?
Mehr Einheit in der Vielfalt. Europäische Grenzregionen im Bürgerdialog
Europa ist, wenn Bürger:innen aus sechs Grenzregionen in Frankreich, Tschechien, Deutschland und Polen zusammenkommen, voneinander lernen und gemeinsam Ideen entwickeln. Am 10. und 11. Dezember erarbeiteten erstmals 70 Bürger:innen in digitalen multilingualen Gruppen Vorschläge zur Stärkung der Grenzregionen und zur Zukunft Europas. Ihre Vorschläge diskutierten sie mit Politiker:innen der Regionen und der Europäischen Kommission.
Inhalt
Grenzregionen zwischen Kouglof, Schokolade, Porzellan und Herrnhuter Sternen
Am Freitag ging es darum, miteinander ins Gespräch zu kommen, sich kennenzulernen und sich zu informieren. Dabei kam auch die kulturelle Verständigung nicht zu kurz, denn die Bürger:innen durften jede Region, ihre Traditionen und Besonderheiten in kurzen virtuellen Ausflügen kennenlernen. Angebote zur Weinverkostung, Weihnachtstraditionen und Ausflugsziele wurden miteinander geteilt.
Nachdem das Eis gebrochen war, tauschten sich die Bürger:innen über die Vorläuferdialoge aus, die in binationalen und trinationalen Gruppen im November durchgeführt wurden. Nicht nur die europäischen Nachbarn, sondern auch die politischen Vertreter:innen zeigten sich beeindruckt von den Bürgervorschlägen: Richard Kühnel, Direktor in der Generaldirektion Kommunikation der Europäischen Union, zuständig für die Vertretungen und Kommunikation in Mitgliedstaaten, Florian Hassler, Staatssekretär und Beauftragter des Landes bei der EU im Staatsministerium Baden-Württemberg, Katja Meier, sächsische Staatsministerin der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung sowie Jean-Baptiste Cuzin, Leiter der Abteilung grenzüberschreitender, europäischer und internationaler Zusammenarbeit der Region Grand Est.
Klimafreundlicher durch Aufklärung, Vernetzung, Gemeinschaftsaktionen und Standardisierung
Am Samstag diskutierten die Bürger:innen intensiv die drei Themen in sechs mehrsprachigen
Kleingruppen. Im „Grand Finale“ stellten die Bürger:innen den Politiker:innen ihre konkreten Verbesserungsvorschläge vor. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen ist in den Regionen Europas unterschiedlich ausgeprägt. Beim Klimaschutz müssen jedoch alle mitmachen. Die Bürger:innen schlagen ein europaweites Programm für Bewusstseinsbildung und klimafreundliches Verhalten vor, das Kinder aus Kitas und Schulen genauso anspricht wie Erwachsene aus Betrieben und Weiterbildungen. Klimaschädliches Verhalten sollte bestraft, klimafreundliches Verhalten belohnt werden. Grenzregionen sollten sich stärker vernetzen und von den guten Beispielen der anderen lernen.
Die Bürger:innen wünschen sich einheitliche Standards für Klimaschutz, z. B. ein einheitliches Abfall-Recycling-System. Europaweite Gemeinschaftsaktionen wie ein „Autofreier Tag“ und ein „Abfallsammeltag“ für Kinder und Erwachsene stärken den Zusammenhalt in Europa. Staatssekretär Florian Hassler begrüßte den innovativen Bürgervorschlag eines grenzüberschreitenden Pfandsystems aus und versprach, diesen nicht nur mit ins Ministerium zu nehmen, sondern auch in die entsprechenden europaweiten Gremien zu tragen.
Vereinheitlichung des grenzüberschreitenden Rettungs- und Katastrophenwesens
Ein Herzensthema der Teilnehmer:innen, gerade auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, war es, die Bürokratie bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Rettungsdiensten abzubauen. Zuschüsse für Sprachkurse von Rettungssanitäter:innen, Brandschützer:innen, Ärzt:innen und Polizist:innen und die Harmonisierung des Meldewesens in den grenzüberschreitenden Regionen wurden vorgeschlagen.
Mehr digitale Vernetzung zwischen regionaler Zivilgesellschaft und Politik
Eine Online-Plattform soll die digitale Vernetzung der Zivilgesellschaft in den unterschiedlichen Regionen und den vermehrten Austausch mit kommunaler Verwaltung und Politik sichern. Das Thema Sprache brannte den Teilnehmer:innen unter den Fingernägeln. Die Beherrschung der Sprache der jeweiligen Partnerregion sollte zum Alltag in Grenzregionen gehören und durch schulische Verankerung von Sprachangeboten sichergestellt werden.
Tue Gutes und rede darüber - Praxisrelevante Vorschläge für die Politik
Die Politiker:innen lobten einhellig den innovativen 6-Regionen Dialog, der Grenzräume miteinander verknüpft und konkrete Brücken schlägt. Richard Kühnel, Direktor in der Generaldirektion Kommunikation der Europäischen Union betonte die zunehmend große Bedeutung von transnationalen Bürgerdialogen für die Europäische Kommission. Alle anwesenden Politiker:innen versprachen die sehr konkreten Vorschläge der Bürger:innen weiterzuverfolgen und im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas zu unterstützen.
Mehr zum Projekt
Der 6-Regionen Dialog wurde von der Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit dem Staatsministerium Baden-Württemberg, dem sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung, der Region Grand Est, der Region Dolnoslaskie, der Euroregion Elbe/Labe und EUROPE DIRECT Vogtland sowie dem Europäischen Ausschuss der Regionen organisiert.
Der 6-Regionen Dialog ist Teil einer Kooperation zwischen dem europäischen Ausschuss der Regionen und dem Projekt Demokratie und Partizipation in Europa der Bertelsmann Stiftung. In 23 Kooperationsprojekten aus 50 europäischen Städten und Regionen wird daran gearbeitet, europäischen Bürger:innen im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas eine Stimme zu geben. Die Konferenz zur Zukunft Europas stößt von Bürger:innen getragene Debatten und Diskussionsreihen an, bei denen die Menschen aus ganz Europa ihre Ideen austauschen und die gemeinsame Zukunft mitgestalten können. Die Konferenz ist die erste ihrer Art, ein europaweites Demokratieexperiment.