Carl Bertelsmann-Preis 1993 - Demokratie und Effizienz in der Kommunalverwaltung

Carl Bertelsmann-Preis 1993 - Demokratie und Effizienz in der Kommunalverwaltung

Wie können sich traditionelle Behörden zu demokratisch kontrollierten Dienstleistungsunternehmen entwickeln? Zu dieser Frage wurde der Carl Bertelsmann-Preis 1993 unter dem Thema „Demokratie und Effizienz in der Kommunalverwaltung" vergeben.

Beschreibung

Die angespannte Situation der deutschen Kommunalverwaltungen, gekennzeichnet durch die sich verschärfende Finanzkrise, die zunehmenden Ansprüche der Bürger an öffentliche Dienstleistungsunternehmen und der Wunsch der Mitarbeiter nach Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz bildeten die Ausgangslage für den Carl-Bertelsmann-Preis 1993.

Die öffentliche Verwaltung befindet sich derzeit in der schwierigen Situation, gleichzeitig unterschiedlichsten Anforderungen gerecht werden zu müssen: einer sich verschärfenden Finanzkrise, den zunehmenden Ansprüchen der Bürger an öffentliche Dienstleistungen und dem Wunsch der Mitarbeiter nach Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz. Die wachsende Kritik am System der öffentlichen Verwaltung zwingt die Verantwortlichen immer häufiger dazu, die überkommenen Strukturen auf Effizienz und Sinnhaftigkeit zu überprüfen.

Insbesondere im Bereich der Kommunalverwaltung bemüht sich die Bertelsmann Stiftung exemplarische Konzepte dafür zu entwickeln, wie sich traditionelle Behörden zu demokratisch kontrollierten Dienstleistungsunternehmen entwickeln können. Praxisorientierte Projekte, die die Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit kompetenten Partnern und engagierten deutschen Städten durchführt, konzentrieren sich auf hoheitliche und freiwillige kommunale Leistungen. In der Projektarbeit wurde deutlich, dass ein enormer Handlungsbedarf besteht, Verwaltungsstrukturen in Richtung auf Effizienz, Bürgernähe, Flexibilität und Mitarbeiterorientierung zu entwickeln.

Vor diesem Hintergrund wurde der Carl Bertelsmann-Preis 1993 zum Thema „Demokratie und Effizienz in der Kommunalverwaltung" vergeben. Über Monate war dazu weltweit recherchiert worden, welche Kommunen sich bereits von der „traditionellen Behörde" zu einem modernen, demokratisch kontrollierten „öffentlichen Dienstleistungsunternehmen" entwickelt haben. Aus den Händen von Reinhard Mohn nahmen die Bürgermeisterin von Christchurch, Vicki Buck, und Calvin C. Goode, Mitglied des Rates der Stadt Phoenix, die Urkunden entgegen. Über 700 Gäste aus Verwaltung, Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und den Medien nahmen am Festakt zur Preisverleihung in der Gütersloher Stadthalle teil.

Die umfassenden Recherchen waren im Auftrag der Bertelsmann Stiftung unter der Leitung von Professor Banner in Zusammenarbeit mit international ausgewiesenen Verwaltungsexperten und externen Unternehmensberatern durchgeführt worden. Auf der Basis eines gemeinsam erarbeiteten Kriterienkataloges wurden der Jury von nationalen Länderkommissionen neben den Siegern Phoenix und Christchurch folgende Städte für die Preisverleihung vorgeschlagen: Braintree, Großbritannien; Delft und Tilburg, Niederlande; Duisburg, Deutschland; Farum, Dänemark; Hämeenlinna, Finnland; Neuchätel, Schweiz, sowie Quebec, Kanada.

Die zentralen Untersuchungskriterien waren demokratische Kontrolle der Verwaltung, Bürger und Kundenorientierung, Kooperation zwischen Politik und Verwaltung, dezentrale Führung, Controlling und Berichtswesen, Potentiale der Mitarbeiter sowie Innovationsfähigkeit durch Wettbewerb.

Der Preisträger Christchurch, Neuseeland (320.000 Einwohner), verkörpert den Typus einer Stadt, die eingebunden ist in eine regierungsgestützte Verwaltungsreform eines gesamten Landes. Ende der 80er Jahre wurde die Kommunalverwaltung in Neuseeland radikal umstrukturiert. Den Städten wurde auferlegt, die politische von der operativen Verantwortung konsequent zu trennen, Messgrößen für ihre Leistungen zu entwickeln, das Rechnungswesen nach kaufmännischen Grundsätzen umzugestalten und über ihre Arbeit öffentlich Rechenschaft abzulegen.

Wie die regelmäßige Befragung der Einwohner in Christchurch ausweist, konnten die Qualität der städtischen Dienste und die Zufriedenheit der Bürger erheblich gesteigert werden. Nach einer klaren Aufgabenverteilung von Politik und Verwaltung entwirft der Stadtrat die strategischen Leitlinien. Die Administration hat freie Hand im Tagesgeschäft, muss sich jedoch in regelmäßigen Ausschreibungen dem Wettbewerb mit privaten Anbietern stellen. Aufgrund leistungsgerechter Bezahlung wechselten qualifizierte Führungskräfte aus der Industrie in die Verwaltung. Zeitverträge sorgen für Erfolgsdruck.

Der Preisträger Phoenix, USA (1 Million Einwohner), verkörpert in seiner Position als „Einzelkämpfer" einen Städtetypus, der ohne besondere Unterstützung von Regierungsseite auskommen muß. Damit ist die Lage in Phoenix der Situation deutscher Kommunalverwaltungen vergleichbar, wo die Kommunen durch den Staat bislang keine besondere Unterstützung oder Ermutigung zur Neustrukturierung, Dezentralisierung und Flexibilisierung ihrer Verwaltungen erfahren. Jedoch hat Phoenix die Probleme im Kommunalbereich erkannt und beispielhafte Lösungen entwickelt und verwirklicht. Die Stadt besticht etwa im Vergleich mit New York oder Los Angeles durch ihr funktionierendes Gemeinwesen.

Schlüssel zum Erfolg ist die direkte Beteiligung der Bürger. Sie engagieren sich in ihrer Nachbarschaft und kümmern sich um soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit oder Altersarmut. Zu diesem Zweck wurde das Stadtgebiet in 120 Nachbarschaften unterteilt. Das so erzeugte soziale Engagement führt dazu, dass sich 10.000 Bürger, dass heißt ein Prozent der Bevölkerung, an Gemeinschaftsaufgaben beteiligen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr in unterschiedlichen Leistungsbereichen des öffentlichen Dienstes 600.000 Stunden durch die Bürger erbracht. Auch in Phoenix muss sich die Kommunalverwaltung im Wettbewerb mit privaten Anbietern messen.

Nachfolgeprojekt