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Europawahl: Höhere Beteiligung erwartet, von der Leyen bekannter als ihre Vorgänger

60 Prozent der Europäer:innen wollen an der Europawahl im Juni teilnehmen. Das wären etwa zehn Prozent aller Wahlberechtigten mehr als bei der letzten Wahl vor fünf Jahren.  Dies ist ein Ergebnis der neuen "eupinions"-Umfrage der Bertelsmann Stiftung. Die Umfrage zeigt auch, dass 75% der Europäer:innen Ursula von der Leyen mit Namen und Bild kennen. Damit ist die aktuelle Kommissionspräsidentin, die nach den Europawahlen eine zweite Amtszeit anstrebt, deutlich bekannter als ihre Vorgänger es waren. Gleichzeitig geben 70 Prozent der Befragten an, sich nicht ausreichend über die Arbeit der Kommissionspräsidentin informiert zu fühlen, um diese beurteilen zu können. Reformen könnten helfen, die Verbindung zwischen den europäischen Bürger:innen und der Kommissionsspitze zu stärken.

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Isabell Hoffmann
Senior Expert Europäische Integration

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 "Ursula von der Leyen hat geschafft, woran andere Kommissionspräsidenten vor ihr gescheitert sind: Eine große Mehrheit der Europäer:innen kennen sie mit Namen und wissen, wie sie aussieht. Das ist bemerkenswert, denn europäische Politiker:innen haben es schwer, in den Mitgliedstaaten medial wahrgenommen zu werden", erklärt Isabell Hoffmann, Europa-Expertin der Bertelsmann Stiftung und Co-Autorin der aktuellen eupinions-Studie "The Von der Leyen Effect: High visibility, low accountability". Allerdings fühlen sich nur etwa 30 Prozent über die Aktivitäten der Kommissionspräsidentin ausreichend informiert, um ihre Leistung auch beurteilen zu können. "Um die europäische Exekutive in der Zukunft und über seine aktuelle Amtsträgerin hinaus zu stärken, muss diese Wissenslücke verkleinert und das Amt über allgemeine Wahlen stärker legitimiert werden. Entweder über ein stärkeres Spitzenkandidat:innen-Modell oder eine Direktwahl."  

 

Für die Studie wurden mehr als 13.000 EU-Bürger:innen befragt. Als größte Leistung der Kommissionspräsidentin wird ihr Umgang mit dem russischen Angriffs-Krieg auf die Ukraine genannt, gefolgt vom Management der COVID-Pandemie. Durch ihren Einsatz in beiden Krisen ist es von der Leyen gelungen, ihr Profil in der EU zu stärken. Sie hat hierbei Eigenschaften unter Beweis gestellt, die sich die Europäer:innen von einer Kommissionspräsidentin wünschen: So halten die meisten europäischen Befragten Problemlösungsfähigkeiten, Krisenmanagement und Erfahrung für die wichtigsten Eigenschaften. Ohnehin wird von der Leyens Leistung von dem knappen Drittel, das sich für eine Bewertung ausreichend informiert fühlt, eher positiv gesehen. Auf einer aufsteigenden Skala von 1 (schlechteste Bewertung) bis 10 (Bestwert) erhält die aktuelle Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei durchschnittlich eine 6, wobei die Belgier am positivsten und ihre deutschen Landsleute am kritischsten waren.

Mögliche Lösungsansätze

Dies gilt umso mehr, als gerade Ursula von der Leyens Wahl zur Kommissionspräsidentin im Jahr 2019 die Schwächen des Prinzips offengelegt hat. 2019 wurden die von den Parteien ernannten Spitzenkandidat:innen vom Europäischen Rat ignoriert. Ursula von der Leyen kam als Kompromiss-Kandidatin ins Amt und musste anfänglich schwer um Anerkennung und eine Mehrheit im EP kämpfen.  Auch wenn sie diese Hürden genommen hat, bleibt es letztlich den Verhandlungen der Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat überlassen, wen sie dem Europäischen Parlament als neue:n Kommissionspräsident:in vorschlagen. 

Die Autor:innen der Studie sehen zwei mögliche Lösungsansätze. Die Kommissionspräsidentin könnte ohne Vorabsprachen des Europäischen Rates entweder direkt vom Europäischen Parlament gewählt werden oder gleichzeitig zur Parlamentswahl direkt durch die Bürger:innen. Beide Optionen wären eine Verbesserung, aber allein noch kein Allheilmittel: "Keine noch so gut konzipierte Einzel-Reform wird sofort ein Mandat für die europäische Politikgestaltung und Führung schaffen", sagt Hoffmann.

"Gerade wenn die EU ihre Erweiterung um neue Mitgliedstaaten erfolgreich vorantreiben will, braucht es eine ganze Reihe von Reformen, die die Legitimität ihrer Führungsfiguren stärken und damit die Handlungsfähigkeit der EU verbessern." Die Zeit, damit zu beginnen, sei gleich nach den Wahlen, an denen europaweit 60 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen wollen. Das wären etwa zehn Prozent aller Wahlberechtigten mehr als bei der letzten Wahl vor fünf Jahren.  

 

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