Ein Mann sieht sich auf seinem Laptop den Jobmonitor der Bertelsmann Stiftung an.

Arbeitsmarkt im Wandel: Diese Berufe sind bei Unternehmen besonders gefragt

Logistik boomt: In 162 von 401 Kreisen in Deutschland sind die Helfer:innen in der Lagerlogistik der gefragteste Beruf. Ebenfalls flächendeckend auf einem Spitzenplatz sind die Verkäufer:innen, sie stehen in 101 Kreisen ganz oben auf der Wunschliste der Arbeitgeber:innen.  Vor allem in Ballungsräumen sehr gefragt sind die Büro- und Sekretariatsfachkräfte. Sie liegen in deutlich weniger Kreisen auf Platz 1, dafür aber in der bundesweiten Betrachtung auf dem Spitzenplatz. Welche Berufe besonders gefragt sind, welches die Auf- und Absteiger sind, zeigt eine Analyse unseres Jobmonitors, für die rund 45 Millionen Online-Stellenanzeigen der Jahre 2019 bis Juni 2023 ausgewertet wurden. 

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Gunvald Herdin
Senior Project Manager

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Ausgelöst durch den von Corona zusätzlich befeuerten Boom des Onlinehandels und den Aufbau von Logistik-Zentren, sind die Beschäftigten der Lagerlogistik vor allem in den Kreisen des ländlichen Raums gefragt.  Seit 2020 steigt der Bedarf an Jobs der Lagerwirtschaft stetig an, vor allem im Bereich der Helfer:innen. In der bundesweiten Auswertung landet der Logistikberuf aktuell auf dem dritten Rang. Verkäufer:innen im Einzelhandel werden besonders in den Kreisen im Norden und Süden Deutschlands gesucht. In der bundesweiten Auswertung hatten sie im Pandemiejahr 2020 sogar die Sekretariats- und Bürofachkräfte vom ersten Platz verdrängt, den diese aber im darauffolgenden Jahr zurückerobert haben. Inzwischen wird jede 42. Online-Stellenanzeige für Büro- und Sekretariatsfachkräfte ausgeschrieben. 

Jede Arbeitsmarkt-Region braucht ihr eigenes Qualifizierungsprogramm

Der Jobmonitor zeigt auch, wie vielfältig Deutschland und seine Arbeitsmärkte sind. Auf Kreisebene landen 17 verschiedene Berufe auf dem ersten Platz. "Darum braucht es auch regionalspezifische Maßnahmen", sagt Gunvald Herdin, Leiter des Jobmonitors. "Für die Weiterbildungsakteure ist das eine Herausforderung. Mit dem Jobmonitor möchten wir Orientierung geben", sagt Herdin. "So kann jede Region sehen, welche Kompetenzen vor Ort besonders dringend gebraucht werden und ihr Angebot an Weiterbildung an diesen Bedarf anpassen."

Die größten Aufsteiger-Berufe: Fachärzt:innen, Papierverarbeitung und Kinderbetreuung

Die größten Aufsteiger unter den meistgesuchten Berufen kommen aus dem Gesundheitsbereich. Auf den Plätzen 1 und 4 der Aufsteiger liegen Fachärzt:innen aus der Inneren Medizin und der Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Allerdings: In vielen Berufen im Bereich Gesundheit wurde der höchste Rang im Coronajahr 2020 erzielt. Seitdem gibt es zwar immer noch sehr viele Stellenausschreibungen aus diesem Bereich, andere Berufe haben aber aufgeholt und wachsen jetzt schneller. So stiegen Fachkräfte in der Gesundheits- und Krankenpflege beispielsweise vom fünften Platz in 2019 auf den dritten Platz in 2020 auf. Aktuell liegt der Beruf auf Platz 8. Dagegen sorgt das Wachstum im Online-Handel für eine steigende Nachfrage nach Fachkräften in der Papier- und Verpackungstechnik. In 2019 noch auf Platz 241, lagen sie in 2022 auf Platz 144 und die Tendenz für 2023 ist weiter steigend. Außerdem ist die Nachfrage nach Helfer:innen und Fachkräften in der Kinderbetreuung und -erziehung deutlich gestiegen - ein Fachkräfteengpass, der mittlerweile auch ein Dauerthema in den Medien ist.

Mechatronik, Werkzeugtechnik und Bankkaufleute verlieren

Die drei Berufe mit den größten Verlusten zwischen 2019 und 2022 sind Fachkräfte der Mechatronik (-76 Plätze), Werkzeugtechnik (-54 Plätze) und Bankkaufleute (-43 Plätze). Der Trend zeigt für alle drei Berufe im ersten Halbjahr 2023 allerdings wieder nach oben. "Bei vielen Fachkraftberufen haben sich die Arbeitgeber:innen in den vergangenen Jahren eine gewisse Zurückhaltung auferlegt. Das scheint sich in 2023 wieder zu ändern", sagt Herdin. Der Anteil an Fachkraftstellen ist von 2020 bis 2022 um mehr als vier Prozentpunkte auf etwa 37 Prozent gesunken. Im ersten Halbjahr 2023 gibt es aber mit knapp 41 Prozent wieder einen größeren Anteil an Fachkraftstellen.

Überraschend: gesucht werden alle Anforderungsniveaus

Die dynamische Entwicklung des Arbeitsmarktes zeigt sich aber nicht nur an der veränderten Nachfrage nach Berufen - sie betrifft auch die Anforderungsniveaus. "Entgegen der häufigen Ansicht sterben die Helferberufe nicht aus. Stattdessen verändern sie sich im Zuge von Marktentwicklungen und der Digitalisierung kontinuierlich", sagt Gunvald Herdin. So sind außerhalb der Lagerwirtschaft im ersten Halbjahr Helfer:innen vor allem im Reinigungsgewerbe (Platz 5), im Gastronomieservice (Platz 15) und als Gabelstaplerfahrer:innen (Platz 20) gefragt. Auch zu den meistgesuchten Fachkräften mit Berufsausbildung zählen Fachkräfte in der Lagerwirtschaft (Platz 6), daneben Gesundheits- und Krankenpfleger:innen (Platz 8) und Kraftfahrzeugtechniker:innen (Platz 11), Auf den höheren Anforderungsniveaus sind Spezialist:innen (Meister-, Techniker- und Bachelor-Niveau) in der Unternehmensorganisation (Platz 4), der Buchhaltung (Platz 9) sowie in Werbung und Marketing (Platz 10) gefragt. Expert:innen (Master-Niveau) werden besonders für den Vertrieb (Platz 7) und für die Softwareentwicklung (Platz 13) gesucht.

Arbeitgeber:innen reagieren schnell auf konjunkturelle Veränderungen und aktuell verschlechtert sich die konjunkturelle Lage in einigen Branchen, beispielsweise in der Baubranche. Das zeigt sich sehr schnell bei den Stellenausschreibungen

Gunvald Herdin, Autor der Studie und Arbeitsmarkt-Experte der Bertelsmann Stiftung

Zahl der Online-Stellenanzeigen steigt weiter deutlich an

Wie groß der Bedarf auf dem Arbeitsmarkt ist, zeigt auch die kontinuierlich steigende Zahl der Online-Stellenanzeigen. Sie erreichte 2022 einen neuen Höchststand von rund 12 Millionen Job-Anzeigen. Der Wachstumstrend setzt sich auch im ersten Halbjahr 2023 fort. Schon in den ersten sechs Monaten veröffentlichten die Arbeitgeber:innen 6,2 Millionen Online-Stellenanzeigen. Allerdings bleibt abzuwarten, ob sich das auch für das zweite Halbjahr fortsetzt. "Arbeitgeber:innen reagieren schnell auf konjunkturelle Veränderungen und aktuell verschlechtert sich die konjunkturelle Lage in einigen Branchen, beispielsweise in der Baubranche. Das zeigt sich sehr schnell bei den Stellenausschreibungen, wie wir mit dem Jobmonitor täglich beobachten können", sagt Herdin.

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