United Nations Building and the flags in Geneva Switzerland

75 Jahre UN: Deutsche wollen internationale Zusammenarbeit statt nationaler Egoismen

Die Vereinten Nationen (UN) feiern in diesem Jahr ihren 75. Geburtstag. Zwei Drittel der deutschen Bevölkerung haben ein positives Bild von der UN. Aber die überwältigende Mehrheit sieht auch dringenden Handlungsbedarf. Sie fordern internationale Zusammenarbeit zur Lösung globaler Probleme.

Deutschland ist ein Land der Multilateralisten. Eine überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung (80 Prozent) fordert internationale Zusammenarbeit bei der Lösung globaler Probleme. Etwa zwei Drittel (65 Prozent) unterstützen diese Zusammenarbeit auch dann, wenn Deutschland dabei kurzfristige Nachteile in Kauf nehmen muss. Das zeigt eine repräsentative Bevölkerungsumfrage unter 2024 befragten Bürger:innen von YouGov in unserem Auftrag. Für die Befragten ist internationale Zusammenarbeit sinnvoll, wenn dadurch die Lebensbedingungen weltweit besser werden (48 Prozent) und ein friedliches Miteinander gefördert wird (37 Prozent). Ob Deutschland dagegen bei internationalen Kooperationen profitiert, ist für die große Mehrheit nicht relevant. Nur einer kleinen Gruppe von jeweils acht Prozent ist wichtig, dass die eigene Heimat einen Vorteil hat oder dass Deutschland politisch beziehungsweise wirtschaftlich profitiert.

Diese Einstellung spiegelt sich auch in der Wahrnehmung der Deutschen gegenüber den Vereinten Nationen (UN) wider. 75 Jahre nach der Gründung der UN zieht die Mehrheit der Bürger:innen in Deutschland eine positive Bilanz: Rund zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten haben ein sehr oder eher positives Bild von der UN.

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Anteil der Bevölkerung in Prozent, der ein sehr positives, eher positives, eher negatives oder sehr negatives Bild von den Vereinten Nationen als Organisation hat.

Doch für das eigene Leben hat die Organisation in der Wahrnehmung der Bürger:innen keine unmittelbare Relevanz. So bleibt das Bild von der Arbeit der UN bei den Menschen vage: "Im Alltag haben die Bürger:innen kaum Bezugspunkte zur UN und sie ist deswegen im Konkreten schwer greifbar: Nur wenige wissen, wer dort wie woran arbeitet", erklärt unsere Demokratie-Expertin Christina Tillmann.

Vier unterschiedliche Typen von Multilateralisten

Hinter der grundsätzlich hohen Unterstützung für internationale Zusammenarbeit und Multilateralismus in der Gesamtbevölkerung verbergen sich jedoch deutliche Unterschiede. Basierend auf 48 qualitativen Interviews definieren das rheingold Institut und wir vier Typen von Multilateralisten:

  • Regionale Eingrenzer sind geprägt von individuellen Eigeninteressen. "Me first" (16% der Bevölkerung Deutschlands)
  • Nationale Machtgläubige achten auf die Durchsetzung nationaler Eigeninteressen. "Germany first" (10% der Bevölkerung Deutschlands)
  • Internationale Gerechtigkeitswächter wünschen sich mehr globale Gerechtigkeit. "Justice for all" (43% der Bevölkerung Deutschlands)
  • Globale Weltoffene wünschen sich eine vielfältige, aber auf gleichen Werten basierende Welt. "Unity in Diversity" (31% der Bevölkerung Deutschlands)

Die Motivation und die Unterstützung für internationale Zusammenarbeit unterscheiden sich deutlich. Drei Viertel der Bürger:innen (74 Prozent) finden sich unter den "Gerechtigkeitswächtern" und "Weltoffenen". Für sie ist das globale Gemeinwohl wichtig und ihr Bezugsrahmen geht weit über das eigene Land hinaus. Ihr Bild der UN ist sehr positiv und sie sind große Unterstützer:innen internationaler Zusammenarbeit. "Sie sind mehrheitlich überzeugt: Die Welt braucht die UN", sagt Tillmann.

Wunsch für die Zukunft: Weniger nationale Egoismen, mehr globales Gemeinwohl

Eine große Mehrheit (91 Prozent) fordert für die Zukunft weniger Egoismus der einzelnen Länder und mehr Zusammenhalt in der UN. Nationale Eigeninteressen sollen dem globalen Gemeinwohl nicht im Wege stehen. Neun von zehn wollen mehr Gleichberechtigung der Mitgliedsländer innerhalb der UN verwirklicht sehen. Insbesondere das Vetorecht im Sicherheitsrat stößt auf Widerstand: 81 Prozent sind dagegen, dass einzelne Länder Blockademöglichkeiten haben. "Die Bürger:innen kritisieren, dass Mitgliedsländer unterschiedlich viel Einfluss in der UN haben und zu oft versuchen, ihre nationalen Interessen durchzusetzen. Sie fordern, dass die UN sich gegen die Blockade einzelner Mitgliedsländer durchsetzen kann", erläutert Tillmann.

Gelingt es der UN, sichtbarer zu werden und mehr Gleichberechtigung der Mitgliedsländer durchzusetzen, dann wird sie auch für die nächsten 75 Jahre unverzichtbar sein.

Christina Tillmann, Demokratie-Expertin der Bertelsmann Stiftung