Berufsschule für eine halbe Milliarde Menschen gesucht

Bis 2020 muss Indien 500 Millionen Arbeitskräfte ausbilden. Bundespräsident Joachim Gauck zu Gast bei Bildungskonferenz der Bertelsmann Stiftung in Bangalore.

Berufsbildung zählt zu Indiens größten gesellschaftlichen Herausforderungen: Bis 2020 muss das Land 500 Millionen Arbeitskräfte ausbilden, so schätzt die indische Regierung. Bisher hat nur ein Bruchteil der Inder eine formelle Berufsausbildung; mehr als 90 Prozent arbeiten im informellen Sektor. Ohne geeignete Bildungsangebote bleiben Hunderte Millionen junger Inder von Fortschritt und Wohlstand ausgeschlossen. Ein effektives Ausbildungssystem, das den Anforderungen einer modernen Industrie- und Wissensgesellschaft entspricht, könnte dagegen die Grundlage für Jahrzehnte wirtschaftlicher Prosperität schaffen.

Das Thema Bildung ist daher auch ein Schwerpunkt der ersten Indienreise von Bundespräsident Joachim Gauck. Am 7. Februar besuchen Gauck und seine Delegation in Bangalore die Berufsbildungskonferenz "How to Tackle the Skills Mismatch in India – A Company Driven Approach" ("Wie kann der Nachfrage nach beruflichen Qualifikationen in Indien begegnet werden – eine von Unternehmen getriebene Initiative"). Die Konferenz ist eine gemeinsame Initiative von Liz Mohn, stellv. Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, und N.R. Narayana Murthy, Executive Chairman und Gründer des indischen IT-Dienstleisters Infosys.

Bei der Konferenz diskutieren einflussreiche Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Bildungssektor pragmatische Lösungskonzepte. Im Fokus steht dabei die Rolle, die indische und deutsche Unternehmen bei einer Ausbildungsoffensive spielen können. Wichtige Impulse könnte das deutsche duale System liefern, wie eine neue Untersuchung des "Institute for Applied Manpower" der indischen Planungskommission zeigt, die bei der Konferenz vorgestellt wird. Die von der Bertelsmann Stiftung initiierte Studie mit dem Titel "Vocational Education and Training Reform in India: Business Needs in India and Lessons to be Learned from Germany" entwickelt konkrete Vorschläge, welche Elemente des dualen Systems in Indien adaptiert werden können.

Neben Bundespräsident Gauck gehören zu den Konferenzteilnehmern Arun Maira, Mitglied der indischen Planungskommission, J.P. Rai, Generaldirektor der „National Skill Development Agency" der indischen Regierung, Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, und Dr. Jörg Dräger, Bildungsvorstand der Bertelsmann Stiftung. Wirtschaftsvertreter kommen von indischen Konzernen wie Baja Allianz, Bharat Forge, Kirloskar, sowie von prominenten deutschen Unternehmen, die Indien als wichtigen Zukunftsmarkt sehen, darunter BMW, Bosch, Daimler und Volkswagen.

"Wir möchten mit dieser Konferenz eine Brücke bauen und die nachhaltige Entwicklung in Indien unterstützen", erklärt Liz Mohn. "In einer globalisierten Welt können große gesellschaftliche Fragen nur gelöst werden, wenn Menschen über die Grenzen von Ländern und Kulturen hinweg zusammenarbeiten." Die Bertelsmann Stiftung engagiert sich seit Jahrzehnten im Bereich berufliche Aus- und Weiterbildung.

Infosys gilt als eines der Vorzeigeunternehmen in Indien, die es geschafft haben, junge Menschen im Unternehmen erfolgreich auszubilden. "Es ist wichtig, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammenarbeiten, um Menschen die Fertigkeiten für die Welt von morgen zu geben", sagt Murthy. "Nur so lässt sich nachhaltiges Wirtschaftswachstum generieren." Der IT-Service-Dienstleister betreibt eine der weltweit größten Unternehmensuniversitäten, mit 14.000 Studenten und mehr als 600 Professoren und Dozenten.