Viele Muslime reagieren misstrauisch und verstehen den Begriff als eine Art Forderungskatalog der europäischen Mehrheitsgesellschaft: Zielend auf die Schritte, die Muslime unternehmen müssen, um ihre Religion an die europäische Werte- und Gesellschaftsordnung anzupassen und als Teil der Gesellschaft anerkannt zu werden. Natürlich schwingt hier die Angst vor Assimilation und dem damit verbundenen Identitätsverlust mit. Besonders kritisch wird der Begriff »Euro-Islam« gesehen, der von Bassam Tibi geprägt wurde. Wird hier doch der Islam auf sein individual-ethisches Konzept reduziert und die Scharia für überflüssig erklärt. Tarik Ramadan setzt dem ein Konzept des »Europäischen Islams« entgegen. Die Muslime sollten sich um Integration bemühen, ohne ihre Identität aufs Spiel zu setzen.
Doch die Realität ist weiter als diese Diskussion. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in Deutschland eine Form islamisch-religiösen Lebens herausgebildet, die als typisch europäisch bezeichnet werden kann.
Im Gespräch mit zahlreichen Muslimen und in langen Interviews mit 13 ausgewählten Personen ist die Autorin im Frühjahr 2016 der Frage nachgegangen, was sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren im muslimischen Deutschland verändert hat. Geantwortet haben Intellektuelle, Aktivisten und Theologen, die sich in verschiedener Weise für die Beheimatung des Islams in Deutschland einsetzen.