Für Vorspann-Teaser zum RMP 2018; 7. Juni 2018, Fotoretusche aus Flaggen und Bild 170503_jan voth__MG_1818_highres.jpg -> Photo: Jan Voth; links, Frau Liz Mohn begrüsst Joachim Gauck
Bertelsmann Stiftung (links); Jan Voth (rechts)

Pressemeldung, , : Reinhard Mohn Preis 2018 an Joachim Gauck verliehen

Der Reinhard Mohn Preis 2018 zum Thema "Vielfalt leben – Gesellschaft gestalten" der Bertelsmann Stiftung wurde heute im Theater Gütersloh an den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck verliehen. Mit dem Preis würdigt die Bertelsmann Stiftung Gauck als Brückenbauer in einer kulturell vielfältigen Gesellschaft. Der ehemalige Bundespräsident nahm die mit 200.000 Euro dotierte Auszeichnung aus den Händen von Liz Mohn, stellvertretende Vorsitzende der Bertelsmann Stiftung, entgegen.

  • PDF

"Bundespräsident Gauck hat nie aus dem Blick verloren, wie sehr uns Vielfalt bereichert", würdigte Liz Mohn, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, den Preisträger. "Immer wieder hat er Zeichen für das gelingende Zusammenleben in Vielfalt und für einen lebendigen Dialog in einem freiheitlichen und vielfältigen Land gesetzt. Dabei hat er immer Mut, Weitblick und viel Gespür für die Bedürfnisse der Menschen bewiesen. Das macht Sie zu einer herausragenden Persönlichkeit", wandte sich Liz Mohn persönlich an Joachim Gauck.

Gaucks unermüdliches Engagement für eine freie, weltoffene und tolerante Gesellschaft hat Deutschland geprägt. Stets hat er die Verständigung zwischen den Kulturen und Religionen gefördert und – im Lichte der Geschichte zweier deutscher Diktaturen – die Werte einer offenen Gesellschaft verteidigt. "Früher als viele andere hat Joachim Gauck erkannt: Wir müssen die anderen Kulturen kennen lernen. Erst, wenn wir alle mehr übereinander wissen, wenn wir uns darauf einlassen einander zu begegnen, kann das Zusammenleben gelingen. Nur dann kann etwas Neues, etwas Gemeinsames entstehen", betonte Liz Mohn in ihrer Rede.

Das Eigene und das Fremde

"In einem Einwanderungsland wie Deutschland kann Gemeinschaft nicht entstehen, wenn Einheimische und Eingewanderte in Kernfragen nicht an einem Strang ziehen. Sie brauchen Essentials, die nicht zur Debatte stehen, und sie brauchen variable Regeln, die jeweils einzuhalten sind, damit diese Demokratie, die allen ihren Bürgern gleiche Rechte sichert, bewahrt und beschützt bleibt. In diesem Land stehen nicht Einheimische gegen Eingewanderte, in diesem Land stehen demokratisch gesinnte Bürger gegen Bürger, die Pluralität ablehnen oder gar Hass säen und gewaltbereit sind – sei es auf Seiten der Einheimischen wie auf Seiten der Eingewanderten", so Gauck in seiner Dankesrede.

Bereits in seiner Antrittsrede im Deutschen Bundestag am 23. März 2012 hat Gauck die neue Selbstverständlichkeit Deutschlands skizziert: Die Zusammengehörigkeit im Land speise sich nicht mehr nur aus der gemeinsamen Geschichte, sondern erwachse zunehmend aus dem in die Zukunft gerichteten "Streben der Unterschiedlichen nach dem Gemeinsamen".

Auch angesichts der schärfer werdenden Debatte um Zuwanderung und Flucht hat er eine klare Haltung gezeigt. Eindringlich in Erinnerung bleibt die Feierstunde zum 65-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes am 22. Mai 2014. Zu diesem symbolträchtigen Anlass lud er als Bundespräsident Einwanderer aus 13 Ländern ins Schloss Bellevue zu einer Einbürgerungsfeier ein. In seiner Rede an diesem Tag betonte er: "Es gibt ein neues deutsches 'Wir', das ist die Einheit der Verschiedenen. Wir verlieren uns nicht, wenn wir Vielfalt akzeptieren. Wir wollen dieses vielfältige 'Wir'."

Der ehemalige Bundespräsident ist sich dabei auch der Herausforderungen und Probleme des Zusammenlebens in Vielfalt bewusst: Vielfalt birgt das Risiko von Konflikten und es bedarf gemeinsamer Anstrengung, um den Zusammenhalt zu wahren. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt widmet sich Gauck dem Umgang mit Vielfalt. Unter anderem bekleidete er die "Heinrich-Heine Gastprofessur 2018" an der Universität Düsseldorf unter dem Motto: "Nachdenken über das Eigene und das Fremde".

Die Festrede auf Joachim Gauck hielt vor rund 500 Gästen im Gütersloher Theater der Generalsekretär der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC), Elhadj As Sy: "Es gibt nur eine Menschlichkeit, die uns allen gemein ist: eine vielfältige, eine 'Regenbogen'-Menschlichkeit. Menschen teilen Normen und Werte über Grenzen hinweg, aber auch Schwächen und Verletzlichkeit machen keinen Halt vor Grenzen. Prinzipientreues menschliches Engagement ist ein Weg, der uns aus der Angst, der Stigmatisierung und der Ausgrenzung zu Umsicht, Unterstützung und Einbindung führt. Es bedeutet die Unterstützung von Menschen beim Wiederaufbau dessen, was für sie das Wertvollste ist: Dem Wiederaufbau ihrer Würde. Solches Engagement bedeutet, Teil der Lösung zu sein ‒ auch wenn es einfacher ist, Teil des Problems zu sein. Geschichte und Kultur, Religion und Sprache sind unser Kompass zur Förderung unserer vielfältigen Menschlichkeit durch Mitgefühl, Respekt und Toleranz. Dies verlangt Demut, Mut und Führungsstärke – Tugenden, für die Reinhard Mohn stand und die auch Joachim Gauck verkörpert."

Zusatzinformationen

Über den Reinhard Mohn Preis:

Der Reinhard Mohn Preis erinnert an den Gründer der Bertelsmann Stiftung, Reinhard Mohn († Oktober 2009). Der Preis zeichnet international renommierte Persönlichkeiten aus, die sich um wegweisende Lösungen zu gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen verdient gemacht haben. Im Rahmen der Projektarbeit für den Reinhard Mohn Preis 2018 sind unter anderem fünf Studien zum Thema Vielfalt entstanden. Gleichzeitig hat sich die Bertelsmann Stiftung in vielfältiger Weise mit politischen und zivilgesellschaftlichen Initiativen beschäftigt, darunter internationale Recherchen unter anderem im belgischen Mechelen. Auch ein Round-Table mit Forschern, Experten und Vertretern der Zivilgesellschaften fand im Mai in Berlin statt. In diesem Jahr heißt das Thema des Reinhard Mohn Preises "Vielfalt leben – Gesellschaft gestalten".

Über Joachim Gauck:

Joachim Gauck war 1989 Mitbegründer des Rostocker Neuen Forums und zog 1990 als Abgeordneter für Bündnis 90 in die erste frei gewählte Volkskammer der DDR ein. Von 1991 bis 2000 war der evangelische Theologe Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Als Mitglied des Verwaltungsrates der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit war er von 2001 bis 2004 tätig und von 2003 bis 2012 Vorsitzender des Vereins "Gegen Vergessen – Für Demokratie"; seit 2017 ist er dessen Ehrenvorsitzender. Von 2012 bis 2017 war er der elfte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.